Der letzte Exfreund meines Lebens
könnte er die Sache klären, würde seine Sippe endlich wieder los und könnte die wichtigen Telefongespräche führen, zu denen er aufgrund ihres Besuchs noch nicht gekommen war.
»Wir haben uns getroffen, um zu sehen, was wir tun können«, antwortete Grace. »Wir können nicht einfach tatenlos mit ansehen, wie Kate in ihr Unglück rennt. Wir müssen uns Gedanken machen, und ich will, dass ihr die Köpfe zusammensteckt und ein paar Vorschläge macht.«
Tom sah Lorcan fragend an. »Was für Vorschläge?«
»Wie wir die zwei auseinanderbringen können, was denn sonst?«
»Also bitte, Lorcan«, schalt ihn Grace. »Du hasst ihn nicht weniger als wir. Und du weißt genauso gut wie ich, dass er nicht der Richtige für deine Schwester ist.«
»Ja, aber glaubst du nicht, dass wir Kates Entscheidung trotzdem respektieren sollten?«, schlug er vorsichtig vor. »Schließlich ist sie alt genug, um zu wissen, was sie tut.«
»Ach, red doch keinen Unsinn«, winkte seine Mutter seinen Einwand wie eine lästige Fliege ab. »Was wäre wohl aus uns allen geworden, wenn sich jeder immer nur um seine eigenen Angelegenheiten kümmern würde, ohne sich dafür zu interessieren, was der andere macht? Nimm nur deine Tante Sheila.«
Tante Sheila wurde immer dann erwähnt, wenn sich jemand eine Einmischung der Sippe in ein Vorhaben verbat.
»Was ist mit Tante Sheila?«, fragte Tom.
»Sie hat einen Transsexuellen geheiratet«, klärte ihn Lorcan auf.
»Davon habe ich noch nie etwas gehört.«
»Weil er die Leiche in unserem Keller ist.«
Doch auch wenn der Mann die Leiche im O’Neill-Keller war, hatte Grace nicht die geringsten Skrupel, ihn hervorzuzerren
und kräftig mit seinen Knochen zu klappern, wenn sich die Familie nur auf diese Art auf den rechten Weg führen ließ.
»Ihr Mann war ein Perverser, Tom«, schmückte sie die Geschichte aus. »Meine ganze Familie wusste, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Aber wir haben nichts gesagt. Wir haben uns nicht eingemischt«, versicherte sie. »Und die arme Sheila hat die Hölle durchgemacht. Weil er nämlich mit ihrem gesamten Geld nach Südamerika verschwunden ist, wo er sich in eine Frau hat verwandeln lassen.«
»Meine Güte!«
»Allerdings, das war ein Schock.«
»Und jetzt lebt Onkel Geraldine mit einem Friseur namens Carlos in Rio de Janeiro«, informierte Lorcan seinen Freund. »Wo sie arm, aber glücklich sind.«
»Und ihr habt es die ganze Zeit gewusst?« Tom bedachte Grace mit einem ungläubigen Blick.
»Nun, natürlich haben wir es nicht gewusst. Wir wussten nur, dass irgendwas mit ihm nicht stimmte, konnten aber nicht richtig fassen, was es war.«
»Vor allem nach der Operation«, warf Lorcan scherzhaft ein.
Grace bedachte ihn mit einem bösen Blick und fuhr, während sie melancholisch in die Ferne sah, mit wehmütiger Stimme fort: »Es gab eine Reihe kleiner Zeichen. Wie zum Beispiel, dass er plötzlich einen Poncho trug.«
»Einen was?« Tom ging sicher davon aus, er hätte sich verhört.
»Einen Poncho, Tom«, wiederholte Lorcan. »Hör doch einfach etwas besser zu.«
»Ah, richtig.« Tom nickte zustimmend, als wäre das Tragen eines Ponchos ein universelles Zeichen für Transsexualität.
»Rückblickend betrachtet war es natürlich offensichtlich.
Aber es waren die Siebziger«, erläuterte Grace, »und da lief die halbe Welt mit Ponchos rum. Und Clint Eastwood hatte einen Poncho in den Cowboyfilmen an, und an ihm ist nichts verkehrt, oder?«
»Nun.« Tom wiegte unsicher den Kopf. »Hing er nicht eine Zeit lang mit diesem Schimpansen rum?«
»Das war ein Orang-Utan«, korrigierte Lorcan ihn und bemühte sich verzweifelt um einen ernsten Gesichtsausdruck.
»Doch das macht es auch nicht richtiger«, gab Tom zurück.
»Wie dem auch sei, ich glaube nicht, dass zwischen den beiden tatsächlich was war«, flüsterte ihm Lorcan zu, Grace hingegen funkelte ihn zornig an.
»Ah! Dann war das also nur eine dieser Pseudoromanzen, um Werbung für den Film zu machen?«, fragte Tom.
Grace tat es inzwischen leid, dass sie auf Clint Eastwood zu sprechen gekommen war. Und auch Conor schien es zu bereuen, denn wenn Tom und Lorcan einmal anfingen, hörten sie für gewöhnlich erst nach Stunden wieder auf.
»Die Sache ist die«, wandte sich Grace entschieden wieder ihrem eigentlichen Thema zu. »Wir wussten, dass etwas mit ihm nicht stimmte, haben uns aber blind gestellt.«
»Gegenüber dem Poncho?«, hakte Tom nach.
»Gegenüber allem. Bis es schließlich zu spät
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