Der letzte Exfreund meines Lebens
doch keinen Quatsch«, schnauzte Rachel ihre Mutter an. »Dir ist doch wohl klar, dass Will in einer völlig anderen Liga spielt als Kate.«
»Unsinn, Schatz.«
»So etwas wie Ligen gibt es in der Liebe nicht«, pflichtete auch Conor seiner Mutter bei.
Typisch Conor, dachte Rachel säuerlich. Stur wie er war, bildete er sich anscheinend allen Ernstes ein, man bräuchte sich nur eine Sache in den Kopf zu setzen, damit sie sich realisieren ließ. Und ihre Mutter war zwar herzensgut, aber wenig realistisch, denn sie war der festen Überzeugung, jedes ihrer Kinder wäre gut genug für jeden Menschen seiner Wahl. Dabei hatte sich Will noch nie für ihre kleine Schwester interessiert. Und Kate hätte niemals wirklich eine Chance bei einem Mann wie ihm.
Grace aber fantasierte bereits von ihrer Hochzeit und von Will als dem perfekten Schwiegersohn, der praktisch schon seit Jahren Mitglied der Familie war. Und bei der Gelegenheit könnte sie sicher dafür sorgen, dass es zu einer Versöhnung zwischen Philip und ihm käme, dachte sie verträumt. Sie wäre wie der US-Präsident, der zwischen den israelischen und palästinensischen Führern stand und sie zu einem Handschlag zwang.
Um ihrer beider Willen hoffte Grace, dass sich Will mit Philip irgendwann vertragen würde. Denn bei aller Tapferkeit, mit der der Junge seinen Weg gegangen war, vermisste er den Vater, und auch Philip tat es von Herzen leid, wie er mit der Situation nach dem Tod der ersten Frau umgegangen war. Und egal wie sehr ihn Will dafür verurteilte, ging er selbst sogar noch härter mit sich ins Gericht.
Im Verlauf der Jahre, seit Will zu ihnen gekommen war, hatte Grace die ganze Zeit die Verbindung zu seinem Dad gehalten und betrachtete ihn schon seit Längerem als einen echten Freund. Sie führten noch immer regelmäßig lange, angenehme Telefongespräche, die sie Will im Originalton wiedergab. Dabei ahmte sie, um die Wirkung zu verstärken, sogar hin und wieder Philips Tonfall nach und betrachtete es jedes Mal als einen großen Sieg, wenn Will über irgendetwas lachte, was aus Philips Mund gekommen war. Will war starrsinnig
und unerbittlich, aber in ihrem Bemühen, die Gedanken an den Vater in ihm wachzuhalten, hatte sie sich als genauso stur herausgestellt. Und in letzter Zeit hatte sie ab und zu den Eindruck, dass Wills Haltung gegenüber seinem Vater nicht mehr ganz so unversöhnlich war – bisher war es nur ein winzig kleiner Riss in der Mauer, die er um sein Herz errichtet hatte, doch es war auf jeden Fall ein erster Schritt. »Conor hat recht«, sagte sie jetzt. »Und selbst wenn es Ligen gäbe, wären meine Kinder gut genug für jedermann. Trotzdem müssen wir dafür sorgen, dass Kate diesen Job in der Toskana annimmt, damit Will und sie so oft es geht zusammen sind. Er braucht eine Chance, um seine Gefühle für sie zu entdecken.«
Rachel stöhnte auf. »Mum, Will hat uns rundheraus erklärt, dass er kein Interesse an Kate hat, du erinnerst dich doch noch?«
»Ihm ist nur nicht klar, was er für sie empfindet«, antwortete Grace. »Aber sobald er erst mal anfängt, so zu tun, als ob er Interesse an ihr hätte, wird er schnell dahinterkommen, dass es tatsächlich so ist. Es ist, wie wenn man auf der Bühne steht – davon hast du natürlich keine Ahnung, Schatz – und sich in den Menschen verwandelt, den man spielt.«
»Ja, aber am Ende des Stückes geht man heim und wird wieder man selbst«, widersprach die Tochter ihr, obwohl sie aus Erfahrung wusste, dass das nicht immer so war. Schließlich hatten die Erfolge ihrer Mutter ihre Kindheit auch dadurch geprägt, dass sie nicht immer nur Grace, sondern nacheinander eine ganze Reihe tragischer Heldinnen von Lady Macbeth bis hin zu Hedda Gabler gewesen war. Am schlimmsten war Die Glasmenagerie gewesen, als Rachel ein Teenager gewesen war. Damals hatte sie die Peinlichkeit erleben müssen, dass Amanda Wingfield all die Jungen in Empfang genommen hatte, mit denen sie heimgekommen war.
Es hätte nicht viel gefehlt, und Grace hätte die linkischen, pickeligen Kerle als »junge Galane« tituliert.
»Vielleicht hast du recht«, räumte ihre Mutter ein. »Aber das ist umso mehr Grund, sie dazu zu überreden, dass sie nach Italien fliegt. Du hast selbst gesagt, die beste Möglichkeit, sie von dem Öko loszueisen, wäre die, sie für jemand anderen zu interessieren, und wenn auch vielleicht nicht Will, verguckt sich ja vielleicht einer von den Jungen aus der Band in sie. Zum Beispiel dieser Owen
Weitere Kostenlose Bücher