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Der letzte Grieche

Der letzte Grieche

Titel: Der letzte Grieche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aris Fioretos
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behauptete, ihre dritte Lektion in Sachen Glück zu erleben? Lasst uns nähertreten. Wir befinden uns unter den Wolken auf 41° 13’ 08’’ N , 23° 35’ 35’’ O .
    Als wieder Stürme aufzogen, wurde der Regen von dem trichterförmigen Dach aufgefangen und durch ein dickes, aber verdecktes Rohr zu einer aus einer Motorhaube hergestellten Zisterne geleitet. In dem früheren Werkzeugschuppen war eine Badewanne in die Erde eingelassen worden. Sie war unterarmtief, ausgekleidet mit plattgehämmertem Blei und an den Rändern mit korkenverschlossenen Löchern versehen. Am ehesten ähnelte sie einem überdimensionierten Zwerchfell, von dessen einer Ecke eine Rinne durch die Hauswand ins Freie und in einen Trog für die Tiere führte. Wenn der Regen den Behälter füllte, stieg das Wasser durch den zunehmenden Druck in den Leitungen und ließ nach und nach die Korken aus den Löchern fliegen. Die Flüssigkeit, die in dem schimmernden Becken murmelte, konnte sogar erwärmt werden, da Jannis im Anschluss an die Zisterne einen primitiven Ofen angelegt hatte. Normalerweise reichte es jedoch aus, wenn sich das Wasser auf natürlichem Weg durch die Sonne erwärmte, die sich auch zur Winterzeit zeigte. Die Erdwärme tat ihr übriges. Auf diese Weise bekam Áno Potamiá sein erstes Badehaus.
    Avramidis lächelte bestimmt kurzsichtig im Himmel. Jannis hatte einen Weg gefunden, das Wasser den Gesetzen der Schwerkraft trotzen zu lassen und mit der mangelhaften Hygiene der Dorfbewohner Geld zu verdienen. Als Despina ihren Körper zum ersten Mal in die Wanne herabsenkte, die Korken herauszog und das Regenwasser perlend bis zu den grauen Achselhöhlen steigen ließ, war ihre Freude groß genug, um an Levitation zu glauben. »Engelpisse, reinste Engelpisse!« Der Konstrukteur selbst war nicht im gleichen Maße überzeugt, dass sich die Schwerkraft mit solch einfachen Tricks übertölpeln lassen würde. Als er sie jedoch durch die Bretterwände jubeln hörte, rief er: »Du befindest dich am Nullpunkt, Großmutter.«
    Verzeihung, es ist unser Fehler, wenn keiner diesen Ort findet. Wir hätten schreiben sollen: 00° 00’ 00’’ N / S , 00° 00’ 00’’ O / W .
    DER GLEICHE GRIECHE? Als die Gerüchte Neochóri erreichten, wurden sie auf einmal riesig und diffus, wie in Wolken gewickelte Geheimnisse. Mehrere Leute, die von sich behaupteten, mit dem Bauherrn gesprochen zu haben, gaben an, er suche seinesgleichen. Als sie gebeten wurden, das Wunderwerk bei einer Partie távli zu beschreiben, antworteten sie allerdings ausweichend etwas über Nobelpreise oder dichteten Turbinen hinzu, die selbst bei den Gutgläubigsten Zweifel an den Informationen aufkommen ließen. »Ich habe ja gesagt, er ist phantastisch. Du bist dran.« Besonnenere Menschen schätzten, dass das Badehaus die richtige Antwort auf die Bulletins aus der Themistokleousstraße waren, ein Akt des Trotzes Behörden gegenüber, die glaubten, sie könnten mit Makedoniern spielen wie Kinder mit Spielzeug. Wieder andere befürchteten, dass es sich um genau die Sorte Dummheiten handelte, für die selbsternannte Genies bekannt waren. Wenn man nicht aufpasste, würde die Hoffnung auf eine kommunale Kanalisation bei der nächsten Sitzung im Amt für Hydrologie im Sande verlaufen.
    Die Gerüchte erreichten auch das Postamt, in dem Kostas nach seiner Entlassung aus dem Wehrdient wieder Briefe und Wechsel bearbeitete. Er fand, es klang, wie es in der Schule stets geklungen hatte. Wie üblich wussten sie alle nicht, wovon sie sprachen, wenn sie über Jannis sprachen. Als er die Sache im Gespräch mit seiner Großmutter erwähnte, ermunterte sie ihn zu einem Besuch. »Es kann nicht schaden, die Sache selbst in Augenschein zu nehmen. Diese Georgiadis sind wie Kastanien: außen stachlig und abweisend, innen weich und wohlschmeckend.« Kostas hätte es nicht mit Sicherheit behaupten wollen, aber es kam ihm vor, als habe die Großmutter mehr im Sinn, als dass er sich nur ansah, was der Freund mit seiner Hände Arbeit erschaffen hatte.
    Einige Tage später trank er einen skéto bei Stefanopoulos, der lachend erklärte, er müsse sich schon selbst ein Bild von der Weltsensation machen. Als er am Lebensmittelgeschäft vorbeikam, beugte sich der Inhaber mit stummer Würde über seine Konserven. Auch er hatte nichts zu sagen. Tsoulas hockte in einem Weinfass, das er mit einem Gummihammer flickte. Er wand sich heraus und grüßte. »Wer zum Teufel hätte gedacht, dass er so umtriebig werden

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