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Der letzte Grieche

Der letzte Grieche

Titel: Der letzte Grieche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aris Fioretos
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auch eine Kombination aus Notariat und Post, einen Allgemeinmediziner sowie einen kleinen Barbier, der auf einem Nachschlagewerk zu stehen pflegt, das zu nichts anderem benutzt wird. Er ist übrigens gleichzeitig Herausgeber der einzigen Zeitung im näheren Umkreis, O Neochorítis . Das Postamt wird später Besuch von Eleni Vembas bekommen, die nach Süden gezogen war, nachdem sie einen Mann und zwei Kinder beerdigt und nach dem jüngsten Sohn gesucht, ihn aber nicht gefunden hat. Wir werden noch von ihr hören. Sowie von ihrem Sohn. Er wurde später Friseur in Ipswich.
    NICHT VIEL . Als Despina erwachte, lagen ein Gewitter sowie der Geruch von frisch gebackenem Brot in der Luft. Für einen kurzen Moment war sie verwirrt, dann aber erkannte sie, dass es keine Fladenbrote und auch keine Feuersbrünste waren. Daraufhin fühlte sie sich schwer und müde und zerschlagen. Zum ersten Mal seit Wochen hatte sie ungestört geschlafen, obwohl sie mit dem Kopf auf einem Spieltisch gelegen hatte. Es waren keine wimmernden Kinder oder Kranken zu hören gewesen, ebenso wenig war sie alle zehn Minuten aus Angst vor jenen Skorpionen aus dem Schlaf geschreckt, die zwar von allen erwähnt, aber nur von wenigen gesehen wurden. Jetzt spürte sie den Willen nachgeben und den Körper zu dem zurückkehren, woraus er hauptsächlich bestand: in veränderliche Formen gebundenes Wasser. Sie dachte, dass sie Smyrna niemals wiedersehen würde. Sie dachte, dass ihr Leben vorbei war. Sie dachte, dass etwas anderes begonnen hatte. Von den hunderttausenden Griechen, die im Herbst 1922 aus der Türkei vertrieben wurden, verteilten sich viele im Norden Griechenlands. Andere setzten ihren Weg bis Thessaloniki oder noch weiter bis Athen und Piräus fort, wo es mehr Arbeitsplätze gab, während wieder andere die Strapazen nicht überstanden, sondern in Straßengräben und Schluchten liegen blieben. Die Verluste wurden teilweise durch Geburten ausgeglichen. Ohne Menschen wie Doktor Semfiris, der mit einem tschechischen Stethoskop um den Hals von Sterbebett zu Entbindung eilte, wäre es jedoch niemals so gut gegangen, wie es den Umständen entsprechend ging.
    Despina dachte an ihre Mutter und schämte sich, weil sie nicht bei ihr gewesen war, als sie starb. Sie dachte an die Bäckerei, die sie nie wieder aufschließen würde, und an die Freundinnen, die sie verloren hatte. Sie dachte an die geliebte Hafenpromenade und dass sie nie mehr das Wasser gluckern hören würde. Sie dachte an Erol Bulut und alles, was seit jenem Abend hinter der Moschee geschehen und nicht geschehen war. Als sie in Gedanken sah, wie er mit dem Bart auf der Schulter und der Schürze eines Bäckers um die Taille davongeeilt war, konnte sie sich ein Lächeln nicht verkneifen. Mühsam stand sie an diesem ersten richtigen Morgen in ihrem neuen Heimatland auf und erblickte den Kaffeehausbesitzer. Wie lange er schon mit einem runden, geschwollenen Brot in der Hand in der Tür gestanden hatte, wusste sie nicht. Seine Gesichtszüge waren streng, ein wenig mürrisch, nicht schwer zu deuten. Lautlos, damit ihr Sohn nicht wach wurde, begleitete sie den Mann in sein Kaffeehaus. In der Küche hinter der Theke kochte Wasser. Obwohl Despina ahnte, dass sie gezwungen sein würde, das Geschenk zu vergelten, atmete sie auf. Wortlos reichte ihr der Besitzer ein Handtuch. Sie wischte sich den Schmutz aus dem Gesicht. Sie seifte ihren Hals, die Achselhöhlen und sogar das Geschlecht ein. Sie wusch sich die Haare, so gut es ging, schnitt sich die Fingernägel mit einer feinen Schere französischen Fabrikats und genoss es, die schwarzen Halbmonde in das trübe Wasser fallen zu sehen. Nachdem sie sich auch noch die Füße gewaschen hatte, massierte Despina sie mit einer Crème aus Sisalhanf ein, die neben dem schaumigen Seifenblock lag. Dem Bündel, das auf dem Fahrrad festgezurrt war, entnahm sie eine Flasche mit türkisblauem Etikett. Sie strich ein paar Tropfen hinter beide Ohren, dann weckte sie ihren Sohn. Die Hasenscharte lag mit offenem Mund auf dem Filztisch. Unter seiner Wange breitete sich ein großer Fleck aus.
    Auch den Sohn verwirrte der Geruch von frischem Brot und aufziehendem Gewitter. Während er schläfrig überlegte, ob er den Bart stehen lassen sollte, der ihm gewachsen war, ging seine Mutter wieder zu dem Kaffeehausbesitzer hinein. Er saß an einem Tisch, der von getrockneten Sonnenblumenkernen bedeckt war, die er in kleine Papiertüten füllte. Sie sah in seinen Augen, was sie

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