Der letzte Karpatenwolf
Zigarette … ein Unteroffizier, es war der aus Tanescu, gab ihnen Feuer. Wie Freunde gingen sie dann alle die Schlucht hinab, bis sie im Wald untertauchten.
Nur der zertretene Schnee, die Spuren vieler Stiefel, blieben zurück. Die Einsamkeit war wieder vollkommen. Und der nächste Schnee, der unter der Sonne hing und sie verdeckte, würde auch diese Spuren aufsaugen, als habe es nie vier deutsche Soldaten und ein junges rumänisches Mädchen gegeben, die den großen Traum der Freiheit geträumt hatten.
»Was nun?« fragte Michael Peters. Er lag im Schnee und wünschte sich, bei seinen Kameraden zu sein.
»Wir werden weiterziehen, Mihai.« Vera Mocanu richtete sich auf den Knien auf. »In die Vrancei-Berge. Es bleibt uns kein anderer Weg mehr.«
Vom Tal herauf wehte ein mehrstimmiges Lachen. Es klang wie Hohn … denn nie war ein Krieg lustig gewesen …
Und Michael Peters weinte plötzlich wie ein Kind und drückte den Kopf an Veras Brust.
In Tanescu standen die Bauern auf der Dorfstraße und vor den Häusern, als die Milizsoldaten mit den deutschen Gefangenen aus den Bergen zurückkamen.
Sonja stand am Brunnen. Mit einer schweren Eisenkugel, die statt des Eimers an der Kette hing, hatte sie die dünne Eisdecke auf dem Brunnengrund zerstampft … jetzt holte sie mit dem dicken Holzeimer das mit Eisstückchen bedeckte Wasser herauf, um einen Maisbrei für die zwei Schweine zu kochen.
Stolz marschierte Stepan Mormeth der Gruppe voraus. Er war der Held des Tages. Er hatte sich und seine Gruppe rehabilitiert. Er wußte, daß man über ihn lobend nach Bacau und Ploesti berichten würde.
Nur eines bedrückte ihn: Man hatte das Mädchen nicht gefunden! Ob es noch eine andere Gruppe in den Bergen gab? Eine größere, gefährlichere … keine halbverhungerten deutschen Soldaten, in denen man heimlich immer noch die verratenen Waffenbrüder sah, sondern ›Legionäre‹, wie man im Volksmund die ›Grünhemden‹ nannte, die berüchtigte ›Eiserne Garde‹ des Codreanu, auf deren Fahnen der unerbittliche Kampf gegen den Bolschewismus stand und gegen die sowjetischen ›Befreier‹, die Rumänien als Eigentum zu betrachten begannen. Sie holten das Öl fort, sie schafften die Lebensmittel nach Rußland, sie nahmen sich die rumänischen Frauen und Mädchen …
Ab und zu schlugen dann die ›Legionäre‹ zu. Aus dem Dunkel der Wälder und der Felsschluchten brachen sie hervor, brannten die Häuser und Baracken nieder, in denen die Sowjetstützpunkte untergebracht waren, erschossen die Miliz, weil sie ›Handlanger Moskaus‹ war, und verschwanden dann wieder im Dunkel. Ein schrecklicher Spuk, der das Land terrorisierte und dessen Zerschlagung den Sowjets wichtiger war als die Gefangennahme Hunderter streunender deutscher Soldaten, die nicht mehr kämpfen wollten, sondern nur um ihr Leben und ihre Freiheit liefen.
Mormeth vermied es, daran zu denken. Auch der Unteroffizier hatte dumm ausgesehen, als lächerliche drei Soldaten aus der Höhle traten, in der er mindestens einen ganzen Zug vermutete.
»Ist das alles, Genosse?« hatte er Mormeth ins Ohr geflüstert. Der Zigeuner hatte die Schultern gehoben. Mürrisch blickte er drein.
»Ich kann nicht mehr machen, Unteroffizier.«
»Und wo ist das Weibsstück, he?«
»Weiß ich es?«
»Du hast doch ein Weibsstück gesehen, hast du gesagt. Wir haben nur den laufenden Schatten gesehen … aber du hast doch mit ihr gesprochen. Du hast doch noch gebrüllt: Bleib stehen, Russanda! – Wie ist's nun damit?« Der Unteroffizier sah Mormeth kritisch an. »Oder war's gar kein Weib? Hast du uns nur getäuscht, du schwarzer Hund?«
»Wenn ich nichts weiß – von Weibern versteh ich was.« Stepan Mormeth warf ärgerlich das Gewehr auf den Rücken und ging auf die drei deutschen Soldaten zu. »Wo Frau?« schrie er sie an.
Kleinhans, Bornemann und Haindl sahen sich verblüfft an. Ihr Zusammenspiel klappte wie lange geübt. Der Haindl riß sogar nach alter Heldenvater-Manier die Augen weit auf.
»Frau? Was Frau?« sagte er grollend. »I wär' froh, wenn i eine hätt'!«
»Hier war Frau!« rief Mormeth. Er suchte nach deutschen Worten. In der Zeit der deutschen Besatzung hatte er viel Handel mit deutschen Kantinen, Zahlmeistern und Offizieren getrieben. Er hatte mit allem gehandelt, was man brauchte … mit Zigaretten, Kaffee, Butter, Schinken, Schnellfeuerpistolen und Juchtenstiefeln, mit gestickten Wollhemden, Pelzen, gehämmertem Gold und Silber und – seiner Spezialität
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