Der letzte Kuss
vermitteln suchte, dann würde sie … was? Fragte sie sich selbst und zwang sich, die Antwort durchzuspielen.
Sie würde sich Roman Chandler holen. Sie würde sich den Gefühlen hingeben, die sie bereits seit der High-School empfand. Was als Kindheitsschwärmerei begonnen hatte, war in die Neugier und Sehnsucht einer Erwachsenen umgeschlagen. Wie war er jetzt? Welche Art Mann war aus ihm
geworden? Die innige Zuneigung zu seiner Mutter stand ihr vor Augen, um eine Skizze seines Charakters anzufertigen, aber das war nur ein Anfang, und es gab noch so viele Tiefen, die sie gern ausloten würde.
Der einzige Weg, dieser Neugier nachzugeben, war der, ihren Gefühlen nachzugeben. Zu akzeptieren, was er ihr anbot, solange er es ihr anbot – und dann den Mut zu entwickeln, ihr Leben fortzuführen, sobald er gegangen war. Anders als ihre Mutter, die nie den Schritt nach vorn gewagt hatte, würde Charlotte ihrer tiefsten Leidenschaft zwar nachgeben – aber sich danach von ihm lösen.
Doch während Roman bei ihr wäre – so dachte sie und vollendete damit ihre Fantasien – und während er ihr gehörte, würde sie alles daransetzen, ihn zu halten. Sie würde ihm ihre handgearbeiteten Kreationen vorführen und beobachten, wie seine Augen sich vor Verlangen und Begierde weiteten. Als ob es wirklich passieren würde, zitterte ihr Körper in Reaktion auf ihre schamlosen Gedanken. Sie konzentrierte sich wieder auf das Hier und Heute und fragte sich, ob sie wirklich den Mut hätte, ihre Fantasien auszuleben. Sicherlich konnte sie das Bedürfnis rechtfertigen. Ganz offenbar hatte sie Roman auch nach zehn Jahren noch nicht damit aus ihren Gedanken verbannt, dass sie vorgab, er würde nicht für sie existieren oder er würde sie nicht anziehen.
Sie war nicht wirklich über ihn hinweggekommen, wenn sie das ignorierte. Warum sollte sie nicht versuchen, ihn zu vergessen, indem sie ihren Gefühlen einfach nachgab? Wenn sie aus den Fehlern ihrer Mutter lernte, dann war sie auch nicht dazu verdammt, diese zu wiederholen.
Ihr Herz schlug schneller, als sie die Vorstellung überkam, sich hinzugeben. Sich Roman hinzugeben. Mit Roman sich ihrer Leidenschaft hinzugeben.
»Okay, wir sind soweit.« Sie hörte Beth Stimme aus dem vorderen Teil des Ladens, und das Bimmeln der Ladenglocke brachte Charlotte in die Realität zurück. Unglücklicherweise löste sich die Erregung nicht genauso schnell auf.
Charlotte schüttelte den Kopf. Es war Zeit, sich wieder darauf zu besinnen, warum sie diese Unterwäsche angezogen hatte. Um vor ihrer Mutter mit ihren Fähigkeiten im Häkeln anzugeben, und vielleicht, um Annie dazu zu bringen, dieselbe Wäsche zu tragen und aus ihrem eigenen privaten Gefängnis auszubrechen. Beide, Mutter und Tochter, mussten in ihrem Leben große Schritte nach vorn machen, dachte Charlotte.
Schritte näherten sich dem hinteren Raum, offenbar die von Beth.
»Bereit oder nicht, ich komme!«, rief Charlotte und trat aus dem kleinen, abgegrenzten Raum hinaus in den Bereich mit den Queen Anne Stühlen. Aber statt ihrer Mutter und Beth bestand ihr Publikum nun aus einer Person.
Aus einem unglaublich aufregenden, kraftvollen männlichen Wesen namens Roman Chandler.
Roman starrte auf Charlottes nahezu nackten Körper in totalem Schock. Die erotischste Garnitur aus BH und Slip, die ihm je zu Augen gekommen war, umschloss eng die weichen Kurven der zauberhaftesten Frau, die er je gesehen hatte. Derselben Frau, die er, so kam es ihm vor, schon immer gewollt hatte.
Darauf war er bei Gott nicht vorbereitet gewesen. Endlich hatte er sich entschlossen, Abstand zu halten, und jetzt das!
»Roman?« Sie riss die Augen auf und machte zu seiner Erleichterung einen Satz, um hinter den Schwingtüren Schutz zu suchen. Unglücklicherweise hielt sie inne.
Wartete sie, überlegte sie etwas? Er wusste es nicht, aber er genoss den perfekten Blick auf ihren blassen, zarten Rücken, ihre schmale Taille und die verlockend durchschimmernde Haut ihres reizenden Pos.
Und dann drehte sie sich um, ganz langsam, und legte eine Hand oben auf die Lattentür im Caféhausstil. Ihre Brüste, weiß wie Milch, schoben sich in dem gehäkelten schwarzen Material nach oben, voll und sinnlich, und schienen nach ihm zu verlangen. Sie baten ihn förmlich, seinen gerade abgelegten Schwur, sich fernzuhalten, zu vergessen.
Sie richtete ihren Blick auf ihn, ohne nach ihren Kleidern zu rennen. Er hatte nicht gewusst, dass sie solchen Mut besaß. Noch eine
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