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Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition)

Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition)

Titel: Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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echter Hingabe auf den Boden.
    Sörli schnaubte ganz leise neben ihr, als wolle er sie trösten. »Findest du etwa, ich bin empfindlich?«, fragte sie das Pferd. Er schüttelte seine schwere Mähne. Nein, aber ungerecht. Du bist hier, weil du das wolltest.
    »Hm. Recht hast du ja«, brummte sie, »ich wollte das so. Aber wer denkt da an so was?!« Und sie lud im Stall die Kiste mit den blöden Dungplatten voll und machte sich daran, in die Räucherkammer zu kriechen, um zu retten, was zu retten war. Denn es hatte so leicht ausgesehen, als Elías das Feuer entfacht hatte – aber es war verdammt schwierig, es selber zu tun. Schwitzend und keuchend hockte sie wie ein Steinzeitweiblein im Eingang des Häuschens und schürte und pustete, um den zu guter Letzt doch noch entdeckten Glimmfaden zum Leben zu erwecken und nicht gleich mit Dungstücken wieder zu ersticken. Die Keulen schwangen über ihr und lachten höhnisch, dass sie doch echt keine Ahnung vom Leben hätte und dass es Leuten wie ihr nicht zustand zu fluchen.
    Danach hatte Lies immer ihren Wecker in der Tasche und lief hektisch alle paar Stunden los, um nach der Glut zu sehen. Und zählte die Tage, bis man die glitschigen Keulen endlich vom Haken herunterholen durfte.
     
    Der nächste Besuch kam schon vier Tage später, an einem sonnigen, windstillen Vormittag. Er brachte jedoch auch keinen Jói, sondern, wie offenbar besprochen, Hördur Sigvaldson und die Schafscherer.
    Die Schafscherer waren ein wundersames Volk. Sie kamen zu dritt auf einem klapprigen Lastwagen mit defektem Auspuffrohr angefahren, zwei von ihnen hatten passenderweise eine Glatze, der dritte trug einen stattlichen Vollbart. Elías hatte also über Ari den Termin arrangiert, und niemand machte große Worte darum. Schafe wurden geschoren, so war das eben. Lies ärgerte sich, dass ihr niemand etwas davon gesagt hatte. Warum? Nun, weil irgendwie... war sie doch auch wer auf dem Hof. Hatte sie wenigstens gedacht.
    Die Schafscherer sprangen zusammen mit drei schlanken, braunen Hunden aus dem Auto, packten ihre Schermaschinen aus und marschierten in Richtung Stall, ohne auf den Hofherren zu warten oder sich um Lies zu kümmern, die von der Gartenwiese herangerannt kam, wo sie im Rhabarber gearbeitet hatte.
    »Ja?«, fragte sie atemlos. »Ja? Soll ich – Elías -«
    Der mit dem Vollbart drehte sich um und sah sie verständnislos an.
    »Häm?«
    »Ich – also – ich – ich -«
    Der Vollbart entschied, dass ihre Einwände nicht überzeugend genug waren, und öffnete das Weidetor. Blökend kamen ein paar Schafe angerannt, in der Hoffnung auf Heu, doch dafür war es zu früh. Lies verfluchte ihre mangelhaften Sprachkenntnisse.
    »Wie – was macht ihr denn jetzt hier?« Sie stemmte die Hände in die Hüften. Wo zum Teufel steckte Elías – der musste sich doch kümmern! Der Vollbart drehte sich noch mal um, diesmal grinsend, und hob sein Werkzeug in die Luft.
    »Arbeit, Mädchen«, sagte er. »Wolle, für deinen Pullover.« Damit schritt er mit wiegendem Gang den Glatzköpfen hinterher, die den Scheuneneingang präparierten. Die Hunde saßen brav auf ihren Plätzen, keiner kläffte oder muckste auf, alle drei warteten auf den Appell. Lies fand, der Spitz hätte sich ruhig eine Scheibe davon abschneiden können.
    Sie lehnte sich gegen den Pfeiler. Aus Brettern war ein kleiner Pferch vor der Scheune entstanden, einer der Glatzköpfe band die Gatter fest aneinander und probierte, daraus eine trichterartige Öffnung zusammenzuschieben. Als es seiner Meinung nach passte, schob er die Gatter wieder auseinander und nickte. Der andere Schafscherer hatte währenddessen die Scheunentore weit geöffnet. Der Bartträger – offenbar der Chef – zischte. Die Hunde erhoben sich, einer wedelte mit dem Schwanz. Dann ein Laut – sie sausten los, langgestreckt und unglaublich schnell in verschiedene Richtungen, drei dunkle Schatten, die lautlos an den Schafen vorbeirannten. Bewegung kam auf, Schafe rannten, und wie auf wundersame Weise in dieselbe Richtung; eine wogende, hellbraune weiche Wollmasse! Blökend wogte sie auf die Scheunentore zu, und die Scheune verschluckte den Wollberg wie ein hungriges Wolfsmaul. Nach nur wenigen Augenblicken war die Wiese bis auf ein paar übriggebliebene Lämmer leer. Lies staunte Bauklötze.
    Im Stall dagegen türmte sich das Vieh, stieg protestierend übereinander, doch das war den Scherern egal, sie begannen mit ihrer Arbeit. Der Trichter wurde zusammengebunden. Zwei standen

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