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Der letzte Massai

Der letzte Massai

Titel: Der letzte Massai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Coates
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Arbeit lohnenswert gewesen war.
    Sie blickte zur Sonne hinauf. Sie hatte vor Einbruch der Dunkelheit einen Zaun zu flicken, was bedeutete, dass sie den Verkauf der Eier auf dem hiesigen Markt in Limuru auf den folgenden Tag verschieben musste.
    Wie gut hätte sie Bills Hilfe gebrauchen können.
     
    Katherine holte tief Luft und ließ ihre verspannten Schultern sinken, während sie zusah, wie die Sonne langsam hinter den purpurnen Bergen oberhalb der Grenze ihrer Farm unterging. Sie legte ihre Hände auf den kleinen, lackierten Tisch, der unter dem Fenster stand, und ließ die Gedanken an die Ereignisse des Tages mit der Sonne schwinden. Sie war müde, aber merkwürdigerweise mit sich im Einklang.
    Sie widerstand der Versuchung, Erinnerungen nachzuhängen. Es war nicht gut, zu oft über die Vergangenheit nachzudenken. Sie rief sich ins Gedächtnis, dass sie hergekommen war, um sich einen wohlverdienten Sherry einzugießen, und trat zur Anrichte hinüber. Als ihre Hand nach der Karaffe aus geschliffenem Glas griff, fielen die letzten Sonnenstrahlen auf den schlichten Goldring an ihrem Finger. Sie warf einen Blick in den Spiegel, der über der Anrichte hing, um sich zu versichern, dass ihr Gesicht nicht ebenso faltig war, wie ihre Hände in dem Licht erschienen. Aber was konnte man schon erwarten, wenn ein Ehepaar versuchte, der erbarmungslosen Erde Afrikas den Lebensunterhalt abzutrotzen?
    Der Spiegel offenbarte ihre perfekt geformten Wangenknochen, ihre leuchtenden, intelligenten blauen Augen. Falls da Grau in ihrem üppigen, beinahe schulterlangen, blonden Haar war, so hatte es sich noch nicht gezeigt. Sie drückte vorsichtig die Finger gegen ihre Wange. Die Haut war weich und das Fleisch fest, aber nachgiebig.
    Eine Frau ist mit vierzig noch nicht verbraucht,
hatte ihre Mutter behauptet. In ihren Jugendjahren hatte sie das kaum glauben können.
    Sie entzündete die Paraffinleuchte, goss sich den Sherry ein und nahm ihn mit zu dem Schrank, in dem sich die Schellack-Schallplatten befanden. Sie zog eine der Platten aus der braunen Papierhülle und legte sie auf das Grammophon, das auf seinem eigenen, speziell angefertigten Zedernholztisch stand. Sie drehte einige Male an der Kurbel und senkte die Nadel dann vorsichtig auf die Schallplatte. Die leicht kratzigen, einleitenden Klänge der Streicher hoben an, als sie ihr Glas Sherry zu dem besten Möbelstück des Hauses trug, dem mit Rosshaar gepolsterten Zweisitzersofa, das sie und Bill in ihren seltenen müßigen Momenten benutzt hatten. Es war eines ihrer kostbarsten Besitztümer. Sie hatten es in der Whitechapel Road gekauft und nach Britisch-Ostafrika verschiffen lassen, als sie sich hier niederließen. Sie sank erschöpft darauf, ließ den Kopf zurücksinken und sich von Harry Lauders Stimme trösten.
    Es war eines der Lieblingslieder ihres Mannes. Bill war auf der Suche nach einem Ort, wo sie sich niederlassen und einen guten Lebensunterhalt verdienen konnten, viel mit ihr in der Weltgeschichte herumgereist, obgleich sich Katherine so manches Mal gefragt hatte, wie man in einigen der Länder, in die er sie mitgenommen hatte, überhaupt sesshaft werden sollte. Australien und Südafrika waren annehmbare Entscheidungen gewesen, und Bill hatte sich beide Male mit bescheidenem Erfolg am Goldschürfen versucht, aber soweit es Paraguay und Venezuela betraf, hatte sie von vornherein Bedenken gehabt. Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, welche güngstige Gelegenheit Bill in Südamerika vermutet hatte, aber er wäre nicht Bill, wenn er nicht drei oder vier andere Pläne in der Hinterhand gehabt hätte.
    Turkana-Land, in der Halbwüste, zweihundertfünfzig Meilen nördlich von Nairobi gelegen, war eine weitere seiner merkwürdigen Entscheidungen gewesen: rauh und auf eine wilde Weise schön, aber zu nicht zu viel zu gebrauchen. Bill hatte Katherine oft wochenlang allein gelassen, während er sich an der Jagd versuchte. Aber jedes Mal, wenn er staubig und verschwitzt und nach Tierfellen riechend zu ihr zurückkehrte, war ihr Liebesspiel so wild und ungezähmt wie das Land gewesen.
    Katherine gab Bill eigentlich keine Schuld daran, dass er sich an so vielen Orten an Dingen versucht hatte und gescheitert war. In den ersten fünfzehn Jahren ihrer Ehe hatte sie damit zu leben gelernt, dass Bill nach irgendetwas suchte, und sie war realistisch genug zu begreifen, dass er, wenn sie versucht hätte, ihn aufzuhalten, trotzdem losgezogen wäre. Sie wollte seinen Abenteuergeist

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