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Der letzte Massai

Der letzte Massai

Titel: Der letzte Massai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Coates
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Lächeln, offenbarte Kira, dass die Gegenstände, wenn sie auch nutzlos waren, geschätzt wurden, und sie lernte, vorsichtiger mit ihnen umzugehen.
    Sie zitterte vor Angst, wenn sie die vier Rahmen abstaubte, in denen das Abbild von Menschen hinter Fensterglas gefangen war. In einem befand sich ein Mädchen ihres Alters, das auf einem großen, gepolsterten Stuhl saß. Es trug ein dunkles Überkleid, und ihr blondes Haar war in einer geraden Linie knapp über ihrem weißen Spitzenkragen geschnitten. Unter ihrem Arm drückte sie ein offenbar lebloses kleines, wolliges Tier mit glänzenden, perlenähnlichen Augen an sich. Das Mädchen sah bemerkenswerterweise wie eine jüngere Version von Katherine aus, was Kiras Angst nicht zu tilgen vermochte, während sie ihre Arbeit erledigte.
    Die Kiste, die krächzte, wenn Katherine an einem Griff kurbelte, jagte ihr zu Anfang auch Angst ein. Doch dann wurden ihr die eigenartigen und wunderschönen Klänge vertraut, und wenn sie allein war, dann ahmte sie die Art und Weise nach, wie Katherine sich zu dem gleichbleibenden Rhythmus bewegte, während sie zu den merkwürdigen Gesängen summte.
    Kira war bald in der Lage, die Veränderungen in ihrem Leben hinzunehmen, die man ihr aufgedrängt hatte. Auch wenn das Leben mit Katherine viel bequemer war als das Leben mit den Kikuyu, so war es doch gänzlich anders als das Leben, das sie im Great Rift Valley zurückgelassen hatte.
    Nachdem sie sich von dem großen Kummer erholt hatte, ihrer Familie entrissen worden zu sein, hatte sich Kira rasch an das Leben im Kikuyu-Dorf angepasst. Es gab viele Ähnlichkeiten zwischen der Gesellschaft der Massai und der der Kikuyu. Die Frauen beider Stämme trugen die alleinige Verantwortung für den Hausbau und die Instandhaltung, kümmerten sich um Geflügel und Vieh, das Essen und die Kleidung der Familie, erzogen die Kinder und sorgten für die Kranken. Die Männer mischten sich nur ein, wenn Angelegenheiten nicht zu ihrer Zufriedenheit erledigt wurden. Kira verstand diese Übereinkünfte, und es war keine große Umstellung für sie, sich ihrer geänderten Situation anzupassen. Dies war bei ihrem Leben mit Katherine jedoch ganz anders.
    Katherine ließ sie wissen, dass sie nach Beendigung ihrer Arbeit die verbliebene Zeit nach ihrem Gutdünken nutzen konnte. Dies war in einem Dorf – ob nun Kikuyu oder Massai –, wo es den Frauen selten erlaubt war, den Luxus freier Zeit zu genießen, undenkbar. Kira fand schon bald heraus, dass sie sich keine Sorgen darüber machen musste, wie sie sich beschäftigen sollte. Katherine machte ihr deutlich, dass sie von ihrem neuen Hausmädchen nicht nur erwartete, dass es sauber machte und sich um den ganzen Krimskrams der Welt der Weißen kümmerte, sondern dass es auch noch wissen sollte, wie man dies alles benutzte. Und darüber hinaus bestand sie zudem noch darauf, dass es dieses unentzifferbare Geschwätz lernte, das sie sprachen.
     
    Die Straße nach Limuru erstreckte sich wie ein rostrotes Band, das jemand auf dem Boden ausgerollt hatte, vor Coll. Sie verlief durch die grünen Täler, bevor sie zwischen den Bergen verschwand und sich an Plantagen vorbeischlängelte, auf denen Mais, Bananen und Kaffee angebaut wurden. Die Sonne war noch nicht über die Baumwipfel gestiegen und die Luftfeuchtigkeit überraschend niedrig. Er vermutete, dass das der Grund war, warum er so gut geschlafen hatte, befreiter atmen konnte, als es ihm daheim in Nairobi möglich war, wo er mehrmals in der Nacht von Hustenanfällen geplagt wurde.
    Coll überließ es der Stute, das Tempo des leichten, zweirädrigen Wagens, den sie zog, zu bestimmen. Die Fahrt ins Rift Valley mit dem Buggy war Routine, und ausnahmsweise einmal wartete keine dringende Aufgabe auf ihn. Er hatte sich entschlossen, die Gelegenheit zu nutzen, um eine der neuen Farmen zu inspizieren, die auf dem Weg lag. Gleich zu Beginn seiner Tätigkeit als Viehinspektor hatte er es sich zur Gewohnheit gemacht, sämtlichen Viehhaltern regelmäßig Besuche abzustatten, um mögliche ansteckende Erkrankungen der Tiere frühzeitig zu erkennen und zu verhindern, dass sie sich auf andere Herden ausbreiteten. Aber es schossen einfach zu viele neue Farmen aus dem Boden – insbesondere in den Bergen oberhalb Nairobis –, und er hatte zu viele Pflichten, die nicht zur Sache gehörten, wie beispielsweise dem Bedürfnis des Gouverneurs nachzukommen, alles zu erfahren, was die Massai im Tal betraf.
    Er bog mit dem Wagen durch das

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