Der letzte Massai
Ruhe bittend die Hände und wartete geduldig, bis alle Gespräche verstummt waren. Vor ihm im Festsaal des Muthaiga Clubs versammelt waren die Mitglieder der Siedlergemeinschaft von Britisch-Ostafrika, die über gute Beziehungen verfügten. Viele von ihnen waren die Nachfahren adeliger Ahnen.
Als es still war im Saal, hieß er die Anwesenden im Namen der Kolonistenvereinigung herzlich willkommen. Als Gastgeber wurde ihm die Ehre zuteil, den Gouverneur vorstellen zu dürfen, was er auch ohne jegliches Vorgeplänkel tat.
»Eure Exzellenz, meine Damen und Herren«, begann er, »wir haben uns heute Abend hier versammelt, um Governor Edouard zu würdigen. Er befindet sich zwar erst ein paar Monate am Ruder des Schiffes Seiner Majestät mit Namen Britisch- Ostafrika, aber dennoch hat er diesem unserem Lande bereits seinen Stempel aufgedrückt.«
»Und dabei ist der Mann Frankokanadier!«
Die Männer brüllten vor Lachen.
»Und dazu noch Ingenieur«, fügte Delamere über das Lachen hinweg hinzu. »Nun aber mal im Ernst! Was hätten wir uns bei einem Gouverneur Besseres wünschen können? Während meiner Zeit im Protektorat sind mir zwei Arten von Männern begegnet, die das Sagen hatten: Solche mit Grips und resolute Verwaltungsbeamte. Und nun haben wir beides in einer Person vereint. Da wäre der Administrator, den das Protektorat benötigt, weil es dringend der Organisation bedarf, und der Ingenieur, den wir unbedingt brauchen, um die Dinge zum Laufen zu bringen – unter anderem auch unsere tattrige Eisenbahnlinie. Mithin sehe ich, wenn Sie mir meine Dreistigkeit gestatten, einen Gouverneur mit genau der richtigen Mischung für Britisch-Ostafrika.«
Ein zustimmendes Gemurmel war zu vernehmen und hier und da vereinzelte »Hört, hört!«-Rufe.
»Er ist ein Absolvent der Königlichen Militärakademie, hat unter Kitchener im Sudan gedient und wurde später von Ihrer Majestät Königin Victoria zum Ritter geschlagen.« Delamere hob die Hand. »Meine Damen und Herren, ich habe die große Ehre, Ihnen Sir Percy Edouard vorstellen zu dürfen.«
Governor Edouard schritt unter herzlichem Applaus auf das Podium zu. Er war ein kleiner, gutaussehender Mann mit einem kräftigen, gespaltenen Kinn und einem energischen Schritt; ein Mann, der Selbstvertrauen und Entschlossenheit ausstrahlte. Er lächelte angesichts des freundlichen Empfangs, und sein modisches Monokel funkelte in der blendenden Helle des neu installierten elektrischen Lichts des Clubs. In seiner Stimme war ein leichter nordamerikanischer Akzent auszumachen, als er seine Ansprache mit einigen an Delamere gerichteten Dankesworten für den liebenswürdigen Empfang begann. Er witzelte, dass er trotz seiner frankokanadischen Abstammung mindestens genauso Engländer war wie die meisten hier, doch leider nicht mit einer solchen Ahnentafel wie ihr erlauchter Gastgeber.
Edouard kam dann rasch auf das Thema zu sprechen, das ihm am meisten am Herzen lag, nämlich die Veränderungen, die er in den kommenden Monaten und Jahren vorzunehmen gedachte. »Meine Damen und Herren, ich bin ein Mann der Tat.« Er hielt für einen Moment inne und ließ seinen Blick über das Publikum wandern, um festzustellen, ob sich jemand traute, diese Behauptung in Frage zu stellen. Als er nichts Derartiges in den Gesichtern las, fuhr er fort: »Ich habe eine umfassende Untersuchung zur Lage der Dinge in diesem Protektorat durchgeführt, und ich bin, offen gestanden, entsetzt. Mein Bericht diesbezüglich befindet sich bereits im Kolonialministerium, aber ich beabsichtige nicht, auf die Genehmigung von dieser Stelle zu warten. Ich setze voraus, dass ich Ihren Segen habe, bis mir Anderweitiges zu Gehör gebracht wird.«
Er fuhr mit der Aufzählung der Unzulänglichkeiten seiner Vorgänger und anderer Amtsträger fort und brachte dann einige Zeit damit zu, wie er gedachte, das Problem mit den Eingeborenenreservaten und den Landzuweisungen, insbesondere im Massai-Land, zu beheben.
»Ich bin der Ansicht, dass eine der Schwierigkeiten in der Art und Weise gründet, wie die Massai zu einem Konsens gelangen. Wie Sie sicherlich bereits alle wissen, haben die Massai eine komplizierte Gesellschaftsstruktur mit Sprechern für alles Mögliche. Zudem gibt es eine Unterteilung in verschiedene Altersklassen, was die Sache noch erheblich verkompliziert. Wir können uns unmöglich auf diese Weise mit ihnen auseinandersetzen. Ich beabsichtige, einen obersten Anführer zu bestimmen, der als Sprecher für alle
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