Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
hast den Graukopf vor der Front seiner Krieger gesehen, Magua; aber ich habe erlebt, wie seine Augen in Tränen schwammen, wenn er von diesen Kindern sprach, die nun in deinen Händen sind!«
Heyward schwieg, denn er konnte sich den auffallenden Ausdruck nicht erklären, der sich über die schwärzlichen Züge des aufmerksamen Indianers blitzschnell verbreitete. Zuerst war es, als ob die Erinnerung an die versprochene Belohnung in seinem Geiste lebendig würde, wie er von den Quellen väterlicher Zärtlichkeit hörte, die ihm den Besitz jener sichern würden; während Duncan aber weiterredete, wurde der Ausdruck der Freude so grimmig boshaft, dass er notwendig befürchten musste, es liege ihr eine unheimlichere Leidenschaft als Gewinnsucht zu Grunde.
»Geh!«, sprach der Hurone, indem er für den Augenblick diesen beunruhigenden Ausdruck seines Antlitzes mit einer totenähnlichen Ruhe vertauschte, »geh’ und sage der schwarzlockigen Tochter, dass Magua sie sprechen will. Der Vater wird nicht vergessen, was die Tochter verspricht.«
Duncan, der in dieser Rede des Wilden den Wunsch nach einem weiteren Unterpfande dafür erblickte, dass die versprochenen Gaben ihm auch wirklich zuteil werden sollten, zog sich langsam und zögernd nach der Stelle zurück, wo die Schwestern von ihrer Anstrengung ausruhten, um seinen Auftrag an Cora auszurichten.
»Sie wissen, von welcher Art die Wünsche eines Indianers sind«, schloss er, sie zu der Stelle führend, wo sie erwartet wurde. »Sie müssen freigebig mit Anerbietungen von Pulver und Decken sein. Geistige Getränke stehen jedoch bei Leuten, wie er, obenan; auch wäre es gut, wenn Sie ihm ein Geschenk von Ihrer Hand mit jener Grazie, die Ihnen so eigentümlich ist, anbieten würden. Bedenken Sie, Cora, dass von Ihrer Geistesgegenwart und Besonnenheit sogar Ihr Leben und das Alices abhängt!«
»Und das Ihrige, Heyward!«
»Das meinige kommt wenig in Betracht, es ist bereits an meinen König verkauft und gehört dem erstbesten Feinde, der es mir nehmen kann. Ich habe keinen Vater, der mich erwartet, und nur wenige Freunde, die ein Schicksal beklagen, nach welchem ich mit der nicht zu stillenden Sehnsucht der Jugend nach Auszeichnung gedürstet habe. Aber still! wir nahen uns dem Indianer. – Magua, die Lady, mit welcher du zu sprechen gewünscht, steht vor dir.«
Der Indianer erhob sich langsam von seinem Sitze und stand fast eine Minute schweigend und regungslos vor ihr. Dann gab er Heyward mit der Hand ein Zeichen, sich zurückzuziehen, und sagte kalt:
»Wenn der Hurone mit den Weibern spricht, verschließt sein Stamm die Ohren.« Als Duncan noch immer zögerte, als wollte er nicht gehorchen, sprach Cora mit ruhigem Lächeln:
»Hören Sie’s, Heyward? Ihr Zartgefühl sollte Sie wenigstens veranlassen, sich zurückzuziehen. Gehen Sie zu Alice und trösten Sie dieselbe mit unseren wiederauflebenden Hoffnungen!«
Sie wartete, bis er sich entfernt hatte, und sprach dann, gegen den Eingeborenen gekehrt, mit aller Würde ihres Geschlechts in Stimme und Gebärden: »Was will Le Renard der Tochter Munros sagen?«
»Hör’!«, antwortete der Indianer, seine Hand fest auf ihren Arm legend, als wollte er alle ihre Aufmerksamkeit auf seine Worte lenken – eine Bewegung, welche Cora eben so fest als ruhig zurückwies, indem sie ihren Arm seinem Griffe entzog. – »Magua ward als Häuptling und Krieger unter den roten Huronen an den Seen geboren; er sah die Sonnen von zwanzig Sommern den Schnee von zwanzig Wintern in die Ströme treiben, ehe er ein Blassgesicht erblickte, und er war glücklich! Dann kamen seine kanadischen Väter in die Wälder und lehrten ihn das Feuerwasser trinken, und er ward ein Bösewicht. Die Huronen trieben ihn von den Gräbern seiner Väter, als ob er ein gejagter Büffel wäre. Er rannte zu den Ufern der Seen hinab und verfolgte ihren Ausfluss bis zur ›Kanonenstadt‹. Hier jagte und fischte er, bis das Volk ihn zurück durch die Wälder wieder in die Arme seiner Feinde trieb. Der Häuptling, welcher ein geborener Hurone war, wurde endlich ein Krieger unter den Mohawks!«
»Ich habe früher so etwas gehört!«, sagte Cora, als sie bemerkte, dass er schwieg, um die Leidenschaft zu unterdrücken, die bei der Erinnerung an das vermeintliche Unrecht, das er erlitten, in helle Flammen aufzulodern begann.
»Ist es Le Renards Schuld, dass sein Haupt nicht aus einem Felsen geschaffen war? Wer gab ihm das Feuerwasser? Wer machte ihn zu einem
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