Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Bösewicht? Die Blassgesichter, das Volk deiner Farbe, taten es!«
»Und bin ich verantwortlich dafür, dass es unbesonnene, schlechte Menschen gibt, deren Gesichtsfarbe der meinigen gleicht?«, fragte Cora ruhig den aufgeregten Wilden.
»Nein, Magua ist ein Mann und kein Tor. Solche wie du öffnen nie ihre Lippen dem Feuerstrome: Der große Geist hat dir Weisheit gegeben!«
»Was habe ich also bei deinem Unglücke, ich will nicht sagen, bei deinen Verirrungen, zu tun oder darüber zu sagen?«
»Höre«, wiederholte der Indianer, indem er seine ernste Stellung wieder annahm, »als seine englischen und französischen Väter das Beil aus der Erde gruben, zog Le Renard auf die Vorposten der Mohawks und focht gegen seine eigene Nation. Die Blassgesichter haben die Rothäute aus ihrem Jagdgebiet vertrieben, und jetzt, wenn sie kämpfen, führt ein weißer Mann sie an. Der alte Häuptling am Horican, dein Vater, war der große Anführer unserer Kriegspartei. Er sprach zu den Mohawks: Tut dies und tut jenes, und fand Gehorsam. Er machte ein Gesetz, dass wenn ein Indianer Feuerwasser trinke und in die Leinwand-Wigwams seiner Krieger komme, es nicht vergessen werden sollte. Magua öffnete töricht den Mund, und das Feuergetränk führte ihn in Munros Hütte. Was tat der Graukopf? Seine Tochter soll es sagen!«
»Er vergaß seiner Worte nicht, übte Gerechtigkeit und bestrafte den Schuldigen«, sprach das kühne Mädchen.
»Gerechtigkeit!«, wiederholte der Indianer, indem er den grimmigsten Seitenblick auf ihr unerschrockenes Anlitz warf, »ist das Gerechtigkeit, wenn man das Übel schafft und dann dafür bestraft? Magua war es nicht selbst: Das Feuerwasser sprach und handelte für ihn! Aber Munro glaubte es nicht. Der Huronenhäuptling ward vor allen Kriegern der Blassgesichter gebunden und wie ein Hund durchgepeitscht.«
Cora schwieg: Denn sie wusste nicht, wie sie diese unkluge Strenge ihres Vaters so rechtfertigen sollte, dass es der Fassungskraft eines Indianers angemessen wäre.
»Sieh!«, fuhr Magua fort, indem er den leichten Kaliko, der seine bemalte Brust nur unvollkommen bedeckte, beiseite riss: »hier sind Narben von Messern und Kugeln – dieser mag sich ein Krieger vor seiner Nation rühmen; aber der Graukopf hat Spuren auf dem Rücken des Huronenhäuptlings hinterlassen, die er wie eine Squaw unter dieser bemalten Leinwand der Weißen verbergen muss.«
»Ich glaubte«, begann Cora wieder, »der indianische Krieger sei ausdauernd, fühle, kenne nicht den Schmerz, den sein Körper leide.«
»Als die Chippewas Magua an den Pfahl banden und ihm diese Wunden schlugen«, sprach der andere, indem er seinen Finger in eine tiefe Narbe legte, »lachte ihnen der Hurone ins Gesicht und sagte: Nur Weiber verwunden so leicht! Da war sein Geist in den Wolken! Aber als er Munros Streiche fühlte, lag sein Geist unter der Birkenrute. Der Geist eines Huronen ist nie berauscht; er vergisst nichts!«
»Aber er kann besänftigt werden. Wenn mein Vater dir Unrecht tat, so zeig’ ihm, wie ein Indianer vergeben kann und bring’ ihm seine Töchter zurück. Du hast den Major Heyward gehört –«
Magua schüttelte den Kopf und verbot ihr die Anerbietungen zu wiederholen, die er so sehr verachtete.
»Was willst du also haben?«, fuhr Cora nach einer peinvollen Pause fort, indem sich ihr die Überzeugung immer mehr aufdrängte, dass der zu sanguinische und edelmütige Duncan durch die Schlauheit des Wilden grausam getäuscht worden sei.
»Was ein Hurone liebt. – Gutes für Gutes, Böses für Böses!«
»So willst du denn das Unrecht, welches Munro dir zugefügt hat, an seinen hilflosen Töchtern rächen? Wäre es nicht männlicher, du trätest ihm vors Angesicht und verschafftest dir als Krieger Genugtuung?«
»Die Arme der Blassgesichter sind lang und ihre Messer scharf!«, entgegnete der Wilde mit boshaftem Gelächter; »warum sollte Le Renard unter die Musketen seiner Krieger gehen, wenn er den Geist des Graukopfs unter seinen Händen hat?«
»Nenne deine Absicht, Magua«, sprach Cora, alle ihre Kräfte aufbietend, um ruhig und standhaft zu bleiben. »Willst du uns als Gefangene in die Wälder schleppen, oder hast du uns noch größeres Übel zugedacht? Gibt es keine Belohnung, kein Mittel, das Unrecht zu sühnen und dein Herz zu erweichen? Wenigstens lass meine zarte Schwester los und schütte alle Bosheit über mich aus. Erkaufe dir Reichtum mit ihrer Rettung und sättige deine Rache an einem Opfer. Der
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