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Der letzte Polizist: Roman (German Edition)

Der letzte Polizist: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Polizist: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Winters
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Richtung sehe ich noch immer die Turmspitze des Kapitols, in der anderen die Reklametafel des Outback Steakhouse –, aber es ist eine andere Welt. Stacheldrahtzäune, einstöckige, fensterlose Ziegelbauten, eine asphaltierte Zufahrtsstraße mit weißen und gelben Pfeilen und Steinpollern. Wachtürme, grüne Richtzeichen, übersät mit kryptischen Akronymen. Weitere Soldaten. Weitere Maschinengewehre.
    Das SSVE -Gesetz enthält bekanntlich eine Unmenge sogenannter schwarzer Titel, klassifizierte Abschnitte, von denen im Allgemeinen angenommen wird, dass sie sich auf die verschiedenen Teilstreitkräfte beziehen. Der genaue Inhalt dieser schwarzen Titel ist unbekannt – außer vermutlich für diejenigen, die das Gesetz abgefasst haben, die Mitglieder eines gemeinsamen Streitkräfte-Ausschusses des Repräsentantenhauses und des Senats; für die Kommandeure und hochrangigen Offiziere der betroffenen Teilstreitkräfte; und für diverse wichtige Mitglieder der Exekutive.
    Aber jeder weiß, oder vorsichtiger ausgedrückt, jeder im Polizeidienst ist ziemlich sicher, dass das Militär der Vereinigten Staaten in erheblichem Ausmaß umstrukturiert worden ist, dass seine Machtbefugnisse und Ressourcen erweitert worden sind – weshalb mir an diesem grauen und windigen Freitagmorgen, an dem ich bis zu den Hüften in einer Mordermittlung stecke, kaum etwas einfällt, was ich weniger gern täte, als meinen Chevrolet Impala durchs Hauptquartier der Nationalgarde von New Hampshire zu lenken.
    Danke, Nico. Ich schulde dir was.
    Beim Bunker, einem gedrungenen, fensterlosen Betonbau, auf dessen Flachdach ein kleiner Wald von Antennen emporragt, steige ich um zehn Uhr dreiundvierzig aus dem Impala. Dank Culverson – und Culversons Kontakten – habe ich fünf Minuten, die genau um zehn Uhr fünfundvierzig beginnen.
    Eine strenge, wenig reizvolle Reserveoffizierin in grüner Tarnhose starrt dreißig Sekunden lang schweigend auf meine Marke, bevor sie einmal nickt und mich durch einen kurzen Flur zu einer massiven Metalltür mit einem kleinen quadratischen Plexiglasfenster genau in der Mitte führt.
    »Danke«, sage ich, und sie stößt einen Grunzlaut aus und entfernt sich durch den Flur.
    Ich spähe durchs Fenster, und da ist er: Derek Skeve. Er sitzt mitten in der Zelle im Schneidersitz auf dem Boden und atmet langsam und gekünstelt.
    Er meditiert. Du lieber Himmel.
    Ich mache eine Faust und klopfe an das kleine Fenster.
    »Skeve. Hey.« Klopf, klopf. »Derek.«
    Ich warte eine Sekunde. Ich klopfe erneut.
    »Hey.« Lauter, schärfer: »Derek.«
    Ohne die Augen zu öffnen, hebt Skeve einen Finger, wie eine Sprechstundenhilfe, die gerade telefoniert. Zorn kocht in meinen Wangen, das war’s, ich bin drauf und dran, wieder nach Hause zu fahren. Es ist garantiert besser, diesen egozentrischen Vollidioten in einem Militärgefängnis sitzen zu lassen, wo er seine Chakren harmonisieren kann, bis Maia da ist. Ich werde mich umdrehen, dem Charmebolzen an der Tür »trotzdem vielen Dank« hinwerfen, Nico anrufen, ihr die schlechten Nachrichten überbringen und wieder an die Arbeit gehen, um Peter Zells Mörder zu finden.
    Aber ich kenne Nico, und ich kenne mich. Ich kann ihr erzählen, was ich will, es wird bloß damit enden, dass ich morgen wieder hierherfahre.
    Also hämmere ich erneut ans Fenster, und endlich faltet sich der Häftling auseinander und steht auf. Skeve trägt einen braunen Overall mit dem Schriftzug NHNG auf der Brust, eine unpassende Ergänzung zu seinen langen, verfilzten Zöpfen, diesen albernen Weißen-Dreadlocks, mit denen er wie ein Fahrradkurier aussieht – was er ja auch war, für kurze Zeit. Wie so vieles andere. Ein struppiger Mehrtagebart überzieht seine Wangen und sein Kinn.
    »Henry«, sagt er und lächelt glückselig. »Wie geht’s dir, Bruder?«
    »Was ist hier los, Derek?«
    Geistesabwesend zuckt Skeve die Achseln, als beträfe ihn die Frage eigentlich gar nicht.
    »Ich bin das, als was du mich hier vorfindest. Ein Gast des militärisch-industriellen Komplexes.«
    Er lässt den Blick durch die Zelle schweifen: glatte Betonwände, eine schmale, zweckmäßige Liegefläche, die in einer Ecke befestigt ist, ein kleines Metallklo in der anderen.
    Ich beuge mich vor, fülle das kleine Fenster mit meinem Gesicht aus. »Kannst du das bitte näher erläutern?«
    »Sicher. Ich meine, was soll ich sagen? Die Militärpolizei hat mich festgenommen.«
    »Ja, Derek. Das sehe ich. Weswegen?«
    »Ich glaube, der Vorwurf

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