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Der letzte Polizist: Roman (German Edition)

Der letzte Polizist: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Polizist: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Winters
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östlich der Main Street über mehrere Blocks am Ufer des Merrimack entlangzieht. Bei den Krawallen am Presidents’ Day sind die letzten verbliebenen Läden abgebrannt, und jetzt gibt es hier nur noch ein paar verstreute Zelte voller Säufer und Obdachloser. Mr. Shepherd, mein Pfadfinderführer, hat hier gelebt, als die Mecki-Mäuse ihn wegen Landstreicherei festgenommen haben.
    »Alles okay mit dir, Nico? Isst du was?«
    »Mir geht’s gut. Willst du wissen, was ich denke?« Es geht ihr nicht gut. Ihre Stimme ist rau und erschöpft, als hätte sie seit Dereks Verschwinden unablässig geraucht. »Ich denke, er wollte vor den Wärtern einfach nichts sagen.«
    »Mh-mh«, sage ich. »Nein, Nico.« Es ist zum Verzweifeln. Ich erzähle ihr, wie leicht es für mich war, dort hineinzugelangen, wie wenige Wärter Derek Skeve bewachen.
    »Wirklich?«
    »Da ist nur eine Frau. Eine Reservistin. Die interessieren sich nicht für einen Jungen, der eine Spritztour auf einer Militärbasis gemacht hat.«
    »Und warum kannst du ihn dann nicht rausholen?«
    »Weil ich keinen Zauberstab habe.«
    Nicos Realitätsverleugnung, ebenso unerträglich wie die dumpfe Sturheit ihres Angetrauten, ist schon lange Teil ihres Charakters. Meine Schwester war von Kindesbeinen an eine Mystikerin, die fest an Feen und Wunder glaubte, und ihr funkelnder kleiner Geist verlangte nach Magie. Unmittelbar nachdem wir zu Waisen geworden waren, konnte und wollte sie diese Realität nicht akzeptieren, und ich war so wütend geworden, dass ich davongestürmt war, und dann hatte ich mich umgedreht und gerufen: »Sie sind beide tot ! Basta. Ende, aus. Tot, tot, t-tot-t-tot! Klar? Nicht die geringste Ambiguität!«
    Das war bei Vaters Leichenschmaus gewesen, das Haus voller Freunde und wohlmeinender Fremder. Nico hatte mich angestarrt, die winzigen, rosigen Lippen geschürzt, das Wort Ambiguität weit jenseits ihres sechsjährigen Horizonts, die Schärfe meines Tons dennoch unmissverständlich. Die versammelten Trauergäste hatten uns beide angestarrt, ein trauriges kleines Paar.
    Und jetzt die Gegenwart, neue Zeiten, und Nicos Fähigkeit, Dinge nicht zur Kenntnis zu nehmen, ist noch immer genauso ausgeprägt wie damals. Ich versuche, das Thema zu wechseln.
    »Du bist doch gut in Mathe, Nico. Sagt dir die Zahl 12,375 irgendwas?«
    »Was soll sie mir denn sagen?«
    »Keine Ahnung, ist es so was wie Pi oder so, wo …«
    »Nein, Henry, ist es nicht«, sagt sie schnell und hustet. »Also, was tun wir als Nächstes?«
    »Also wirklich, Nico. Hörst du mir nicht zu? Das ist das Militär, da gelten völlig andere Regeln. Ich wüsste nicht mal, wie ich versuchen sollte, ihn da rauszuholen.«
    Einer der Obdachlosen stolpert aus seinem Zelt, und ich winke ihm kurz mit zwei Fingern zu; sein Name ist Charles Taylor, und wir sind zusammen auf die Highschool gegangen.
    »Dieses Ding wird vom Himmel fallen«, sagt Nico, »es wird uns auf den Kopf fallen. Ich will nicht allein hier sitzen, wenn es passiert.«
    »Es fällt uns nicht auf den Kopf.«
    »Was?«
    »Jeder sagt das, und es ist einfach … arrogant, das ist es.« Ich habe das alles so satt, und ich sollte die Klappe halten, aber ich kann nicht. »Zwei Objekte bewegen sich auf getrennten, aber sich schneidenden Umlaufbahnen durch den Weltraum, und dieses eine Mal werden wir beide zur selben Zeit am selben Ort sein. Es ›fällt uns nicht auf den Kopf‹, okay? Es kommt uns nicht ›holen‹. Es ist einfach. Verstehst du?«
    Auf einmal ist es unglaublich, ja geradezu unheimlich still, und ich merke, dass ich geschrien haben muss. »Nico? Tut mir leid. Nico?«
    Aber dann ist sie wieder da, mit leiser, ausdrucksloser Stimme. »Er fehlt mir einfach, das ist alles.«
    »Ich weiß.«
    »Vergiss es.«
    »Warte.«
    »Mach dir meinetwegen keine Sorgen. Lös deinen Fall.«
    Sie legt auf, und ich sitze im Wagen, und meine Brust zittert wie nach einem Schlag.
    Bamm!
    Es ist eine Science-Fiction-Serie, dieses Fernes fahles Schimmern . Jede Woche kommt eine neue halbstündige Folge heraus. Seit Weihnachten hat die Serie enormen Erfolg. Hier in Concord läuft sie im Red River, dem Indie-Kino. Es geht um ein intergalaktisches Kriegsschiff namens John Adams , geflogen von einer Generalin Amelie Chenoweth, die von einer Sexbombe namens Kristin Dallas dargestellt wird; Dallas schreibt auch die Drehbücher und führt Regie. Die John Adams erforscht so um 2145 herum die Weiten des Universums. Der Subtext, so subtil wie ein Schlag auf den

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