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Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Regent: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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zögerte und wartete auf Input.
    Die Hand des Generals kam auf seine Schulter herab, schwer wie ein Berg, während sich andere Hände – leicht und sanft, die der Balsamiererin – wieder bewegten. »Noch darf niemand von Seinem Tod erfahren. Sollen die Geflohenen mit Ungewissheit darüber heimkehren, ob ihr heimtückischer Anschlag erfolgreich war. Sollen sie weiterhin die Faust des Regenten fürchten.«
    »Gepriesen seien die Streitkräfte«, sagte Xavius automatisch. Die Mischung aus Verwirrung und Enttäuschung war so groß, der Schock ging so tief, dass die Barrieren der adaptiven Schizophrenie in ihm fielen. Normalerweise sorgten tief in seinem Bewusstsein verankerte Schutzmechanismen dafür, dass die Persönlichkeit des Xavis V Xavius von der des meist namenlosen und immer eifrigen Chronass getrennt blieb. Der Assistent war hauptsächlich eine Funktion des Schwarms, doch während des vergangenen Jahrzehnts hatten die häufigen psychischen und emotionalen Interaktionen zur Reifung eigener Persönlichkeitsstrukturen geführt, mit dem Ergebnis, dass sich der Chronass manchmal wie eine unabhängige Person anfühlte.
    »Aber wie konnten Rogge, Denslow und die anderen fliehen?«, platzte es aus ihm heraus. Hier war er, der Chronass, benutzte seinen Mund und seine Ohren, um die Fragen zu stellen, die ihn am meisten bewegten, und um Antworten zu hören. »Wie konnten sie nach der Besprechung beim Regenten so schnell handeln? Woher stammte das Material, mit dem sie den Kettenbrand auslösten? Wie überwanden sie all die Sicherheitsschranken, die Ihn schützten? Wie kamen sie an den Gardisten vorbei? Und wie konnten sie anschließend nicht nur den Hangar erreichen, sondern auch an Bord eines Schiffes gelangen? Und wieso nur ein Schiff? Und warum ist eins der beiden anderen explodiert?« Xavius, sein Chronass, schnappte nach Luft und schenkte dem Ärger in Quintus Quirons grauem, von alten Tätowierungslinien durchzogenem Gesicht keine Beachtung. »Konnten sie alle entkommen? Wurde niemand von ihnen gefasst, verletzt oder getötet? Und wohin sind sie mit dem Schiff geflohen? Der Konnektor von Magrew ist auf Empfang geschaltet, und selbst wenn das nicht der Fall wäre: Die Zerberus ist zu nahe. Die Splitter-Menschen können nicht hoffen, den Jägern und Kanonenbooten lange genug zu entkommen, um den Ring zu erreichen und in den Transfer zu gehen. Wie wollen sie dieses Sonnensystem verlassen? Wo sind die Verifikatoren? Warum wird der Regent einbalsamiert, ohne dass man zuvor Spuren sichert?«
    Der Vorsitzende des Gremiums öffnete den Mund, und Xavius’ Chronass begriff, dass ihm nur noch Zeit für eine Frage blieb.
    »Was ist mit dem Ayunn?«, fügte er dem Wortschwall hinzu.
    Quintus Quirons Mund war geöffnet, und Xavius sah die dunkle Zunge darin. Aber seltsamerweise sprach er erst nach einem kurzen Zögern.
    »Wir alle sind bestürzt, Chronist«, sagte er, mit Worten fast so schwer wie die Hand des Generals auf Xavius’ Schulter. »Deshalb verzeihe ich Ihnen diese Respektlosigkeit. Und weil Sie dem Endurium bisher gute Dienste geleistet haben. Sie werden weiterhin Ihre Pflicht erfüllen und dazu beitragen, die Sicherheit des Enduriums zu gewährleisten. Der Regent … regiert. Seine starke Hand schützt uns. Der Anschlag des Splitter-Abschaums blieb ohne Erfolg. Haben Sie verstanden, Chronist?«
    Es ist eine Lüge, dachte Xavius und spürte, wie der Schwarm etwas verspätet dafür sorgte, dass der Chronass zurückwich. In all den Berichten, die das Mesh von mir bekommen hat, habe ich nie gelogen. Manchmal habe ich ein wenig übertrieben, dem einen etwas mehr Licht gegeben und das andere in den Schatten gerückt, aber ich bin nie so weit von der Wahrheit abgewichen, dass ich mir eine Lüge vorwerfen lassen müsste.
    So verlangte es die Ethik des Chronisten. Doch jetzt kam es zu etwas, mit dem er nie gerechnet hätte, zu einem Konflikt mit der Loyalität dem Endurium gegenüber.
    Xavius senkte den Blick und stellte fest, dass er die Fäuste geballt hatte.
    »Ich teile Ihren Zorn, Chronist«, sagte Quiron etwas sanfter. »Und ich versichere Ihnen, dass wir die Schuldigen bestrafen werden. Zu dieser Strafe gehört auch, die Wahrheit zurückzuhalten, damit sie nicht zu einer Waffe in ihren Händen werden kann.«
    Das Endurium kam an erster Stelle, immer, erinnerte sich Xavius. Er nickte, und die Hand des großen Generals wich von seiner Schulter, hinterließ aber ein Phantomgewicht auf ihr.
    Quintus M Quiron wandte sich

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