Der letzte Regent: Roman (German Edition)
zerschmetterter Leichnam hastig verscharrt. Vier kamen aus der Wüste der zerstörten Welt und erreichten die periphere Sicherheitszone, durch Phasenmodifikatoren vor den Blicken der Wächter geschützt. Ein Eindringling starb, weil er – beziehungsweise sie, die Sensoren identifizierten eine Frau – aus der Phase kam. Die anderen drei schafften es bis zum Inneren Bereich, bis zur Perimeterzone der hohen Wachsamkeit, wo die KI mit vierundneunzig unterschiedlichen Methoden nach Ungewöhnlichem Ausschau hielt. Dort gerieten gleich zwei von ihnen in den Hörbereich eines Phasenohrs, das der Morti-Gruppe, der auch Tabatha angehörte, präzise Zieldaten übermitteln konnte. Ein Interruptsignal unterbrach die Phase der beiden Splitter-Menschen, und Pulser-Strahlen verbrannten sie innerhalb eines Sekundenbruchteils.
Doch der letzte Eindringling blieb verschwunden.
Neugierig geworden machte sich Zayac auf die Suche.
Abgründe
8
Wieso setzte sich Quintus M Quiron plötzlich so sehr für das Bündnis mit den Splitter-Welten ein, obwohl er doch bei der Besprechung im Konferenzzimmer der Zerberus keinen Zweifel daran gelassen hatte, wie wenig er davon hielt? Diese Frage ging Xavis Xavius während der ersten sechs Stunden seiner Reise zum Magellangraben immer wieder durch den Kopf. Sie begann in einem Patrouillenboot des Flaggschiffs, das ihn zum Ring des Konnektors über Magrew brachte, wo mehrere Transporter mit Flüchtlingen vom Planeten Priorität beantragt und erhalten hatten. Während der Wartezeit sorgte Xavius dafür, dass die Mikromaschinen seines Schwarms sich selbst und seine Zellstruktur auf den ersten Transfer vorbereiteten, der nur über sieben Lichtjahre ging, ein Kurzstreckentransfer, der für die individuelle Reisebalance ebenso wenig eine Rolle spielte wie die beiden anschließenden Etappen von Herlihi zu der Drei-Sonnen-Welt Berwick, wo es nie richtig Nacht wurde, und dann zum Zwillingsplaneten Ratchford-Uyeda, zwei Welten, die in der habitablen Zone des gelben G-Sterns Devos um ein gemeinsames Schwerkraftzentrum kreisten, in einem instabilen, taumelnden Tanz, der in etwa fünfzigtausend Standardjahren zu Ende gehen würde, wie die KIs errechnet hatten. Genug Zeit für Menschen, um sich auf beiden Planeten dauerhaft niederzulassen und in der Mitte ihres Tanzes, im stillen Auge der beiden miteinander ringenden Schwerkraftfelder, einen Konnektor zu bauen. Und nicht irgendeinen. Er zählte zu den fünf leistungsfähigsten im ganzen Endurium, denn in unmittelbarer Nähe befand sich eine Quantenanomalie, die der Grund dafür sein mochte, warum sich zwei Welten von fast Erdgröße so nahe gekommen waren, ohne sich gegenseitig in Trümmerwolken zu verwandeln: eine ergiebige Energiesenke, die von den Vakuumpumpen der Rotationselemente direkt angezapft werden konnte. Der RU-Konnektor im Devos-System bot nicht nur Dutzende von Kurzstreckenverbindungen an, sondern auch Langstreckentransfers über Hunderte und Tausende von Lichtjahren, die maximal einige Objektivtage dauerten, wobei die subjektive Reisezeit ohne Inanspruchnahme individueller Kompensatoren zwischen wenigen Stunden und vielen Monaten schwanken konnte. Der RU-Konnektor diente auch als Verbindungsstation zu den Relativitätsschiffen, die – von mutigen, aufopferungsvollen Morti-Piloten gesteuert, die in geistiger Gemeinschaft mit KIs lebten – über die Grenzen des Enduriums und des von Menschen erforschten Raums hinausflogen, in Richtung des etwa sechsundzwanzigtausend Lichtjahre entfernten galaktischen Zentrums, um in fernen Sonnensystemen neue Konnektoren zu installieren. »Pure Puristen« nannte man diese Morti manchmal, weil sie den Weg, den sie mit ihrem kontrollierten Tod in der Stillen Stadt begonnen hatten, konsequent weiter beschritten als viele andere Morti: Sie streiften ihr körperliches Sein ganz ab und existierten nur noch als menschliche Seelen in der Umarmung von künstlicher Intelligenz. Sie sahen sich selbst als Zukunft des Menschen, als Speerspitze einer gesteuerten Evolution, und vielleicht war es durchaus angemessen, dass vor allem sie in den Weiten des Alls, wo noch nie zuvor Menschen gewesen waren, nach Überbleibseln der Alten Zivilisationen suchten, und nach den Letzten Alten selbst. Eine Theorie ging davon aus, dass diese Alten vor Jahrmillionen von der galaktischen Bühne verschwunden waren, weil sie – in gewisser Weise wie die Piloten der Relativitätsschiffe – eine neue Entwicklungsstufe erreicht hatten. Vielleicht
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