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Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Regent: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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hatten den Verstand verloren.
    Xavius erreichte den Rettungsraum, riss die Tür auf und fragte sich, wieso der Pilot des Transporters noch immer keinen Alarm ausgelöst hatte. Abgesehen vom Summen der Vibrationen und dem Knacken der Kristallisierung blieb es still; im lokalen Netz des Schiffes herrschte Stille.
    Der Rettungsraum enthielt nur eine Überlebenskapsel, und sie war teilweise demontiert. Xavius starrte darauf und fragte sich für einen Moment, ob Gladfelter gewusst hatte, was geschehen würde, ob er ihm mit boshafter Absicht ausgerechnet diesen Transporter gegeben hatte.
    Wir brauchen einen Schutzanzug, drängte der Chronass. Zieh einen Schutzanzug an. Na los, verdammt, beeil dich!
    Drei schnelle Schritte über einen Boden, der plötzlich schief zu sein schien, brachten Xavius zum Utensilienschrank. Sein Schwarm sendete den Notfallcode, und eine Tür schwang auf. Wenige Sekunden später steckten Xavius’ Beine bereits in einem mit Materialgedächtnis ausgestatteten Schutzanzug, der ihm beim Anziehen half. Flexibler Stoff wölbte sich über den Kopf, wurde hart und zu einem Helm, dessen einfache Systeme eine Verbindung mit dem Schwarm herstellten und Zugang zu dessen KI erhielten.
    Er drehte sich um und wollte zur Kapsel laufen, als die künstliche Schwerkraft ausfiel. Gleichzeitig kam es zu einer besonders heftigen Erschütterung – der Boden unter Xavius hob sich, gab ihm einen Stoß, der ihn glücklicherweise genau in die richtige Richtung fliegen ließ, zur Überlebenskapsel, die auf der elektromagnetischen Schiene des Startkatapults verankert war. Er erreichte sie in dem Augenblick, als das Synthmetall der Außenwand kristallisierte und an einer Stelle brach; ein erstes kleines Loch entstand.
    Xavius fühlte den Sog der entweichenden Luft, zog sich in die offene Kapsel und überließ es den automatischen Mechanismen des Schutzanzugs, ihn in den Sitz zu bugsieren, der über einen einfachen Sicherheitsharnisch verfügte – ein netzartiges Geflecht aus smarten Polymeren hielt ihn fest.
    Wenige Sekunden später zerbarst die vollständig kristallisierte externe Wand des Rettungsraums, und aus dem Fauchen entweichender Luft wurde der tosende Sturm einer explosiven Dekompression.
    Xavius, vom Sitz umschmiegt und vom Harnisch festgehalten, duckte sich, soweit es ihm das härter gewordene Material des Schutzanzugs gestattete. Objekte flogen über die Überlebenskapsel hinweg, Werkzeuge aus dem Utensilienschrank, demontierte Teile der Kapsel, Instrumente von einem nahen technischen Arbeitstisch – ein Orkan fegte durch den Rettungsraum und riss alles mit, was nicht irgendwie befestigt war. Die Kapsel zitterte auf ihrer Katapultschiene, hielt dem Zerren aber stand. Xavius’ Sorge bestand nicht darin, dass sie von der entweichenden Luft ebenfalls mitgerissen wurde; er fürchtete vielmehr die Kristallisierung durch einen fehlerhaften, nicht mehr synchronisierten Transfer.
    Als das Brausen nachließ und Xavius es wagte, den Kopf zu heben, zuckte ihm Schmerz durch Mark und Bein, so heftig, dass er im Innern des Helms schrie, die Mikromaschinen verfluchte und sie aufforderte, seine Nozizeptoren zu betäuben. Tatsächlich verschwand der Schmerz nach einigen Sekunden, aber gleichzeitig sah und hörte er plötzlich nichts mehr.
    Was könnte passiert sein?, fragte der Chronass. Er klang wie unberührt von den jüngsten Ereignissen. Glaubst du, die Verschränkung ist unterbrochen? Aber sollte so etwas nicht unmöglich sein? Eins steht fest: Dies ist Stoff für einen interessanten Mesh-Bericht.
    Bei der Medus hatte es nur zwei Überlebende gegeben, zwei von tausend, und sie waren verrückt geworden, erinnerte sich Xavius. Er blinzelte, er spürte , wie er blinzelte, und seine Hände befanden sich bereits an den Siegeln, als ihm klar wurde: Er war auf dem besten Wege, den Helm abzunehmen.
    Und er begriff noch etwas anderes: Fremde Hände hatten ihn daran gehindert, die Helmsiegel zu öffnen. Er fühlte sie jetzt, wie sie seine Hände ergriffen und nach unten drückten. Etwas gelangte an seine Ohren, ein Rauschen, das ihn ans Fauchen der entwichenen Luft erinnerte, aber vermutlich aus dem Komm-System stammte. Akustische Signale, die von seinem Gehirn nicht zu Worten zusammengesetzt werden konnten.
    Bin ich verrückt geworden?, dachte Xavius. Bin ich übergeschnappt wie vor drei Jahren die beiden Überlebenden der Medus?
    Kann sich ein Verrückter fragen, ob er den Verstand verloren hat?, spottete der Chronass. Viel

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