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Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Regent: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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ab.«
    Der Mann an der Konsole stand auf. »Übernimm du, Corial. Bring uns zum dritten Sektor des Attraktors, zum Evakuierungsportal, das die anderen benutzt haben. Es müsste noch die Zielsignatur enthalten; wir können uns also eine Tunnelprägung mit aktiven Signalen sparen, was die Gefahr der Entdeckung verringert. Passive Fahrt. Schub nur mit den chemischen Treibsätzen. Vielleicht sind noch Späher oder Phantome in der Nähe.«
    »Verstanden. Dritter Sektor, Evakuierungsportal, passive Fahrt.«
    »Alles ruhig«, meldete jemand. »Keine Reisenden mehr in Ortungsreichweite. Aber die Gravitationswellen haben hier ziemliche Unordnung geschaffen. Unsere alten Karten stimmen nicht mehr, Hektor. Viele Schiffe sind kollidiert, andere verschwunden, von den Reisenden transferiert.«
    »Wir haben, was wir wollten, Corial«, erwiderte Rogge. »Kehren wir heim. Später kann eine andere Gruppe hierherkommen und versuchen, noch mehr aus den Depots zu holen.«
    »Wenn die Subtunnel dann noch funktionieren, Hektor. Und wenn die temporale Synchronisation dann noch funktioniert. Hier sieht’s nicht gut aus. Das frühere Gleichgewicht existiert nicht mehr.«
    »Wir werden sehen.«
    Xavius beobachtete, wie Rogge näher kam, in die Hocke ging und einen prüfenden Blick auf ihn richtete. »Er hat die Augen offen. Kann er mich sehen?«
    »Ich denke schon«, sagte Boris.
    »Kann er mich hören und sprechen?«
    Xavius wollte erneut »Holen Sie mich hier raus!« rufen, doch wieder versagte seine Stimme. Er brachte nur ein Krächzen hervor, und im gleichen Moment schnaufte das Krötenwesen, als wollte es jeden Laut von ihm übertönen.
    »Sie hätten mich fallen lassen können«, sagte Rogge. »Aber das haben Sie nicht getan.«
    Ja, und ich weiß nicht, warum, dachte Xavius hilflos, ein Gefangener in seinem eigenen Körper. Nicht ich habe dich hochgezogen, Mörder, sondern meine Hand. Meine Hand ist zum Verräter geworden.
    »Aber das mit den grünen und blauen Bäumen, Chronist … Das habe ich nicht verstanden.«
    »Ich bin ziemlich sicher, dass er dich hören kann, Hektor«, sagte der dürre Boris, während weiter hinten Corials Finger über die Schaltflächen flogen und grafische Darstellungen durch das Anzeigefeld über der Konsole glitten. »Aber Ocker hat einige Signalwege des Nervensystems unterbrochen, um die nekrotischen Gewebebereiche zu regenerieren. Damit wären unter normalen Umständen große Schmerzen verbunden. Was auch immer er sagen will: Die Worte erreichen Kehlkopf und Mund nicht.«
    Nekrose, dachte Xavius und fluchte hingebungsvoll mit der – stummen – Wortgewalt eines Chronisten.
    »Was ist mit seinem Gehirn?«, fragte Rogge und sah Xavius erneut in die Augen.
    »Ocker registriert desorganisierte neuronale Aktivität«, antwortete Boris und kam einen Schritt näher, das Gerät von den Saugnäpfen an seinen Fingern gehalten. »Wie ich schon sagte, seine Reisebilanz ist null, und er hat eine instabile Tür benutzt, um zu uns zu gelangen. Das muss ein ziemlicher mentaler Schock gewesen sein. Vor drei Monaten haben wir eine ganze Gruppe in einem instabilen Subtunnel verloren. Beim kleinen Attraktor im Canis-Major-Zwerg.«
    »Ich erinnere mich gut daran«, sagte Rogge, ohne den Blick von Xavius abzuwenden. »Don Duhart gehörte zu der Gruppe, die einem neuen Hauptdepot auf der Spur war. Er kehrte als Einziger zurück.«
    »Um Jahre gealtert und verrückt«, warf Pribylla ein.
    Rogges Augen wurden ein wenig kleiner. »Boris, soll das heißen … er könnte übergeschnappt sein?«
    »Ich bin Heiler-Operator, kein Psychomechaniker, Hektor«, erwiderte Boris, und diesmal klang seine Stimme scharf.
    »Verrückt nützt er uns nichts«, sagte Pribylla. »Verdammt, mit einem übergeschnappten Chronisten können wir nichts anfangen!«
    Bin ich verrückt?, überlegte Xavius und dachte an grüne und blaue Bäume.
    »Der letzte Transfer hat ihn auf null gesetzt«, brummte Rogge nachdenklich. »Er hätte mindestens vier Monate auf Bluestone bleiben müssen, um wieder Reisebilanz eins zu erreichen und erneut einen Konnektor benutzen zu können.«
    Der Ring, dachte Xavius, und Panik durchflutete ihn, die das Krötenwesen nicht blockieren konnte. Habe ich den Ring noch? Er fühlte ihn nicht; er fühlte nicht einmal seine Hände.
    »Kann Ocker seine Reisebilanz erneuern?«, fragte Rogge.
    »Bei einem von uns könnte er die Rekonvaleszenz abkürzen«, erklärte Boris. »Er könnte den Synapsen dabei helfen, sich von der Disruption

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