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Der letzte Schattenschnitzer

Der letzte Schattenschnitzer

Titel: Der letzte Schattenschnitzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Aster
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erlöst. Was ich auch tat, mit welchem Papst ich auch im Bunde stand und wie viel Macht ich auch anhäufte, Erlösung fand ich bis heute nicht …«
    Jonas blickte auf, ließ seine Schattensinne aus den leeren Fensteröffnungen schweifen und erspürte die Stadt. Aus zerbrochenen Fensterscheiben gähnten ihm trostlose Räume entgegen, die leer stehenden Geschäfte waren längst geplündert und ihre bunten Werbebanner zerrissen worden. Verloren flatterten sie im Wind. Rostige Autowracks auf den Straßen erweckten den Eindruck, dass die Welt hier längst untergegangen war. Und auch das in einiger Entfernung aufragende, verzogene Riesenrad legte diesen Schluss nahe. Womöglich, dachte Jonas, hatte die Welt hier tatsächlich bereits begonnen unterzugehen. Und vielleicht war es wirklich nur eine Frage der Zeit, bis die gesamte Welt so aussah …
    »Was ist das für eine Stadt?«, wollte Jonas von Ahasver wissen.
    »Sie trägt den Namen Prybjat und liegt unweit von Tschernobyl, das 1986 durch den zweitgrößten Atomreaktorunfall der Geschichte zerstört wurde. Alles in der Gegend ist noch immer so verstrahlt, dass Menschen hier nicht lange überleben. Es ist ein trostloses Fleckchen Erde, das von Milizen bewacht und gegen Plünderer und leichtsinnige Narren geschützt wird. Ich habe die Stadt gekauft. Mit allem, was darin ist.«
    »Aber ich verstehe nicht. Warum wohnt Ihr nicht in einem Palast, wie es Euch zustünde?«
    Wieder drang ein schwaches Lachen durch das Dunkel.
    »Ein Palast? Für dieses jämmerliche Stück Körper? Ach, mein Junge, ich habe Paläste besessen, habe Städte entstehen und vergehen sehen. Ich habe besessen, was man besitzen kann. Nein, ich will nicht mehr. Und hier bin ich sicher vor der Welt, denn niemand wird hier je nach irgendetwas suchen …«
    »Aber Ihr könntet noch so vieles tun, so vieles erleben … Vielleicht ließe Euer Körper sich gar …«
    Der Alte aber ließ ihn den Satz nicht einmal beenden:
    »Wozu? Mein Schatten ist das Einzige an mir, das noch lebt. Das letzte bisschen Lebendigkeit genieße ich durch ihn. Bis zum Ende aller Dinge, das längst schon in den Schatten lauert …«
    Die Worte des Alten verhallten im Dunkel, zerflossen zu formloser Schwärze, und tief in seinem Inneren spürte Jonas Mandelbrodt, dass sich etwas veränderte …
     
    Wie ergriff mich ein dunkles Erinnern! Ahasverus, der ewige Wanderer, von Gott mit Unsterblichkeit gestraft … Die Schatten raunten von ihm und seiner bitteren Ewigkeit.
    Er war keiner, der sich die Unsterblichkeit wie Cagliostro oder Saint Germain aus freien Stücken erwählt hatte, sondern einer, dem sie aufgezwungen worden war.
    An der Seite meines Herrn war ich dem Schatten eines Engels begegnet, dem Golem und nun dieser tragischen, biblischen Gestalt. Doch wie seltsam war es, dass mich hier, im Angesicht eines weiteren Wunders, nicht die gleiche Ehrfurcht ergriff wie im Dunkel unter der Zuflucht, als ich den Panzer Alexanders und das Schwert der Engel berührte. Ich spürte diesen Mann, seinen Schatten, doch dabei erfüllte mich keinerlei Staunen. Stattdessen empfand ich einen sonderbaren Zorn, der sich aus der Tiefe meines Dunkels hervorzukämpfen schien. Mitsamt seinem Schatten hätte ich den Alten zerreißen wollen und ahnte doch nicht, weshalb.
    Ich musste hart mit mir ringen, und es kostete mich viel Kraft, schließlich aber gelang es mir, diesen grausamen Wunsch niederzukämpfen und vor meinem Herrn zu verbergen …
     
    Jonas Mandelbrodt stutzte. Tief in seinem Inneren, im innersten Dunkel seines Schattens, hatte er etwas gespürt. Es war lediglich eine Ahnung gewesen, fürchterlich und sonderbar, doch im Bruchteil eines Augenblicks war sie wieder verschwunden. Nachdenklich wandte der Junge sich wieder dem Alten zu.
    »Ihr sagt, dass es in den Schatten keine Geheimnisse mehr für Euch gibt. Dann wisst Ihr sicherlich auch, was in ihnen vor sich geht.«
    »Oh ja, mein Junge. Sie rüsten sich für ihre große Stunde, machen sich bereit für das Eidolon. Fünfhundert Jahre ist es her, dass George Ripley Gott herausfordern wollte. Und jetzt scheint doch noch die Stunde seines Triumphes zu schlagen …«
    Jonas verstand nicht.
    »Er tat es einzig und allein, um sich zu rächen. An uns. Weil wir ihn und die Seinen auf den Scheiterhaufen brachten, um den Schatten unseren Willen aufzudrängen …« Der Alte machte eine Pause, wartete ab, ob der Junge begriff.
    Jonas wollte mehr wissen:
    »Aber warum habt Ihr ihm damals nicht schon

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