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Der letzte Schattenschnitzer

Der letzte Schattenschnitzer

Titel: Der letzte Schattenschnitzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Aster
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vor den Blicken des Rates schützten. Leise summend schritt er an dem tobenden Knäuel aus Schatten und jaulendem Hund vorbei. Aus den Augenwinkeln sah er, wie das Tier zu fliehen versuchte. Doch es kam nicht weit. Die Schatten waren schneller und rissen es nach wenigen Schritten wieder zu Boden.
    Es dauerte nicht lange, bis er den Zaun erreichte. Hier, an den Eckpfosten, an denen der Maschendraht mit krummen Nägeln befestigt war, hatte er nach den Weisungen seines Meisters die Bannsprüche angebracht. Entsprechend den alten Riten der Chaldäer, die schon tausend Jahre vor Christi Geburt mit Hilfe ihrer Schatten die Zukunft vorhergesagt hatten, hatte er die Zeichen mit einer Mischung aus Blut und Ruß auf Tierschädel geschrieben, die er schlussendlich mit ledernen Riemen an den Pfählen befestigt hatte. Diese Zeichen ließen die Schatten der Umgebung erblinden und verbargen das Gelände vor ihren Blicken. Der einzige Schatten, der nach Belieben auf diesem Gelände ein und aus gehen konnte, war der seines Meisters. Zwei zusätzliche Zeichen auf den Schädeln machten es möglich.
    Cassus wusste, dass die Mitglieder des Rates auf der Jagd waren, nach Maria und einem Jungen irgendwo in Europa. Er hatte keine Ahnung, welche Rolle der Bursche in dem großen Plan spielte, aber er wusste, dass Ripley in seinem Gefängnis viele hundert Jahre Zeit gehabt hatte, diesen Plan zu vervollkommnen. Nun stand er kurz vor der Erfüllung.
    Zufrieden betrachtete Cassus die rituellen Zeichen auf einem der ausgebleichten Schädel. Dank ihnen war er sicher vor den Blicken des Rates und seiner Häscher. Er überprüfte den Sitz des Schädels. Er hatte ihn hoch genug angebracht, dass er vor streunenden Tieren sicher war. Die Knoten saßen fest. Ein paar Meter weiter konnte er den Kadaver des Geiers erkennen, den er vor einigen Wochen vom Himmel geschossen hatte.
    Das Jaulen des Hundes wurde leiser, als er, den letzten Rest seiner Zigarre aufrauchend, langsam am Zaun entlang zum nächsten Pfosten hinüberging. Und dann hörte er plötzlich eine Stimme: »Cortez! Du verdammter Köter, wo treibst du dich rum? Kommst du wohl her?«
    Cassus fuhr erschrocken herum, sah den in seinen letzten Zuckungen liegenden Hund. Mit einem Wink jagte er die Schatten zurück ins Dunkel. Dieses hässliche Viech war verdammt nochmal kein Straßenköter gewesen! Jetzt sah er auch das Halsband. Er hatte vorschnell gehandelt, sich dazu hinreißen lassen, seine Macht spielen zu lassen. Und das hatte er jetzt davon.
    »Cortez, du Mistvieh … Wenn ich dich erwische, kannst du was erleben …«
    Er hörte die Stimme näher kommen, lauter werden, und dann tauchte am Tor, im Schein der vorderen Laterne, ein etwa fünfzigjähriger Mann auf. Eine zahnlose abgerissene Gestalt, wahrscheinlich einer der Obdachlosen, die unweit der Stadt am Rand der Wüste in ihren provisorischen Barracken hausten. Zumindest ließen sein fleckiger Overall und das löchrige karierte Hemd das vermuten. Als der abgerissene Fremde nun im Lichtkegel der zweiten, hinteren Laterne etwas liegen sah, trat er aufgeregt näher ans Tor. Er wollte es gerade öffnen, als sich plötzlich ein Mann mit Brille vor ihm aufbaute.
    »Das ist Privatbesitz, Señor. Sie können dieses Grundstück nicht einfach betreten.«
    »Aber mein Hund, das da drüben ist mein Hund, und …«, stammelte der Alte mit feuchten Augen und wies mit zitternder Hand auf das zusammengekrümmte Bündel bei der Laterne, unter dem sich langsam eine dunkle Lache ausbreitete.
    Cassus konnte den Alkohol wahrnehmen, den der Fremde ausdünstete. Er würdigte das sterbende Tier keines Blickes und entgegnete kühl: »Es tut mir leid Señor, wahrscheinlich haben meine Hunde ihn erwischt. Wenn sie erlauben, würde ich ihnen den Schaden gern ersetzen.« Er zog ein Bündel mit Zwanzigdollarscheinen aus seiner Gesäßtasche hervor und begann langsam, ein paar davon abzuzählen. Er hoffte, das Geld würde reichen, den Fremden zu beruhigen. Das tat es aber nicht. Durch das Tor hindurch schlug der Fremde ihm das Bündel aus der Hand und schrie ihn an.
    »Sind sie verrückt, Mann? Dieser Hund ist alles, was mir geblieben ist! Und jetzt lassen Sie mich rein, bevor ich Ihnen Ihre gottverdammte Visage poliere. Vielleicht lebt er noch. Vielleicht kann ich noch etwas tun …«
    Als Cassus die Tränen in den Augen des Mannes sah, wusste er, dass es besser war, dem Kerl seinen Willen zu lassen. Er holte einen Schlüsselbund hervor und öffnete das

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