Der letzte Single fangt den Mann
bedanke, und setze mich. Der Porridge ist genau so, wie ich ihn mag: mit Wasser statt Milch, dazu Heidelbeeren und gedrittelte Mandeln (gedrittelt, nicht halbiert!). Ein paar Minuten später kommt Robert wieder und gibt mir eine große Tasche.
» Winterausrüstung fürs Motorrad. Damit du nicht erfrierst.«
» Du hast eine zweite Winterkombi?«, frage ich überrascht.
Er schüttelt den Kopf. » Ich habe sie für dich gekauft, schon vor einer Ewigkeit, aber dann bist du morgens nicht mehr mitgefahren…«
» Danke!«, rufe ich und falle ihm um den Hals. » Das ist sehr aufmerksam von dir. Und praktisch. Wie viel schulde ich dir?«
Er beugt sich vor und umarmt mich ungeschickt.
» Nichts. Das ist ein Geschenk… Zieh mal an.«
Robert sieht mir zu, als ich in die Schutzkleidung steige, und unterdrückt ein Grinsen.
» Sehe ich sexy aus?«, frage ich. Ich trage eine wasserdichte schwarze Elastikhose und eine passende Reißverschlussjacke. » Gott, ich sehe aus wie einer dieser fetten Cops in Das fünfte Element.«
» Ich dachte mehr an einen riesigen Mistkäfer«, sagt Robert.
Ich zucke mit den Achseln und watschele geräuschvoll zur Haustür. » Lass uns los.«
Während der ganzen Fahrt klammere ich mich wie eine dick gepolsterte Klette an Robert. Als wir ankommen, springe ich ab und bedanke mich. Er nickt kurz und braust davon.
Der Weg zu den Aufzügen vorbei am Empfang ist in dieser Aufmachung etwas peinlich. Ich halte den Kopf hoch und tue so, als wäre es völlig normal, wie ein riesiger Mistkäfer auszusehen, der durch die Empfangshalle einer großen Investmentbank schlurft.
» Sie sehen gut aus, Abigail!«, sagt der Sicherheitsmann, Steve, als ich an ihm vorübergehe.
» Ich bin auch gut drauf, Steve!«, entgegne ich und nehme meinen Sicherheitsausweis aus der Tasche, um die Karte durchzuziehen.
Es handelt sich um unsere Glücksritter -Standardbegrüßung, seit wir zum ersten Mal ins Gespräch kamen– vor ein paar Monaten, als ich meine Karte vergessen hatte. Heute lacht Steve mich aus, wegen meiner Aufmachung. Ich strecke ihm die Zunge heraus.
» Salut, Abigail«, sagt eine Stimme, als ich den Aufzug betrete. Ich wusste, ich würde jemandem über den Weg laufen. Ich schaue in die warmen braunen Augen von André, dem Franzosen. In letzter Zeit hat er sich selten in unserem Londoner Büro blicken lassen. Typisch, dass ich ihm ausgerechnet in dieser Aufmachung begegnen muss.
» Wie geht es Ihnen?«, fragt er.
» Großartig«, sage ich und grinse ihn an. » Bitte entschuldigen Sie meine Aufmachung, ich bin mit dem Motorrad hergekommen…«
» Nicht doch«, sagt er mit einer wegwerfenden Handbewegung. » Sie sehen immer zauberhaft aus.«
Eine Pause entsteht. Ein Glück, dass sonst niemand im Aufzug ist. Ich lächle, ohne André anzusehen, und fixiere die aufsteigenden Nummern auf der Stockwerkanzeige. André sitzt in der Nähe von Charlotte und mir, und ich habe ihn schon öfter dabei ertappt, dass er mich anschaut. Dritte Etage… vierte…
» Ich fahre weiter in den achten, aber… Begleiten Sie mich heute zum Lunch?«, fragt André. » Ich möchte gerne ein Projekt mit Ihnen besprechen«, fügt er rasch hinzu.
» Oh, sicher«, sage ich. » Wir treffen uns um eins in der Lobby.«
» Abgemacht! Date um eins!«, sagt er grinsend.
Das ist kein Date, denke ich. Ich date nicht mehr, denn ich habe Dave. Und zwar richtig.
Ich grinse in mich hinein und kämpfe gegen das Bedürfnis, einen leichtfüßigen Bergziegensprung zu machen, als ich in Windeseile zur Damentoilette flitze, wo ich meine Schutzkleidung ausziehe.
Endlich am Schreibtisch checke ich kurz meine E-Mails und die Bloomberg-Homepage mit den vorderen zwanzig Prozent meines Gehirns. Die restlichen achtzig Prozent sind mit Dave beschäftigt. Ich bin so glücklich, ich platze fast vor Glück. Ich hatte also recht!
Ich wusste, wenn ich mich unter Kontrolle habe und die coole Distanzierte perfekt mime, kann ich ihn gewinnen. Ich bin wirklich kugelsicher.
» Hast du zufällig eine Schmerztablette?«, flüstert eine Stimme, und ich drehe mich um und sehe Charlotte, die an ihren Platz geht oder, besser gesagt, stolpert. Ihre Haare sind zu einem unordentlichen platinblonden Bienenstock hochtoupiert, ihre Haut ist fleckig, aber rosig, und sie hat ein schuldiges Grinsen im Gesicht. » Henry und ich haben uns gestern auf ein Glas Wein getroffen, und das Nächste, was ich noch weiß, ist, dass es Mitternacht war und wir in irgendeiner spanischen
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