Der letzte Single fangt den Mann
ausstehen konnte, aber das ganz praktisch war, wenn nichts anderes sauber war. Es bereitet mir besonders viel Vergnügen, ein Paar alte Winterstiefel auszusortieren, die ich nur angezogen habe, weil sie den schwierigen Spagat bewältigten, gleichzeitig schick, warm und angemessen für die Arbeit zu sein.
Jetzt kann ich anziehen, was mir steht. Machen, was ich will. Aufhören, jemandem etwas vorzuspielen.
Nachdem meine alten Kleidung für eine wohltätige Einrichtung sicher in Müllsäcken verstaut ist und meine restlichen Sachen wieder glücklich im Schrank hängen, zünde ich eine Kerze an, lege mich aufs Bett und schnappe mir ein Buch.
Und dann nehme ich im Augenwinkel einen großen Karton wahr, der in einer Ecke meines Zimmers steht: meine persönlichen Sachen aus dem alten Büro– darunter die wetterfeste Motorradkombi, die Robert mir geschenkt hat und die ich nur einmal anhatte. Das war sehr nett von ihm, oder? Sehr unaufdringlich, überlegt und großzügig, so wie er immer ist… war… zu mir.
Ich frage mich, wo Robert gerade steckt.
Wahrscheinlich zieht er um die Häuser mit JimmyJames. Und er lebt sein Leben weiter. Ich bin hier und lebe meins weiter. Wir sind keine Freunde mehr, so einfach ist das.
Es erschreckt mich, wie sehr mich dieser Gedanke verletzt, wie wenn man am Morgen nach einer Party einen blauen Fleck entdeckt und sich fragt, wo der herkommt, und darauf herumdrückt, um zu sehen, ob es wehtut.
Robert ist nicht mehr mein Freund.
Der Gedanke ist so schmerzlich, dass mir kurz die Luft wegbleibt.
Um mich abzulenken, klappe ich meinen Laptop auf und checke meine E-Mails. Es gibt nur eine neue: von einem Absender namens… Urlaubsvertretung.
Ich lächle erfreut und klicke auf die E-Mail, und es öffnet sich ein freundlicher kurzer Text von Bree mit einem Link zu ihrem Blogeintrag von Silvester.
Der Titel lautet: Robert und Abigail, darunter ein Foto von Robert und mir an Silvester. Wir sitzen an dem gemütlichen Tisch im The Only Running Footman, er hat den Arm um mich gelegt und grinst mich an, während ich in die Kamera lache. Ich habe bisher noch nie ein Foto von uns beiden gesehen. Wir machen einen überglücklichen Eindruck.
Ich lese den Eintrag.
Wir trafen Robert und Abigail, zwei einheimische Finanzfachleute, in einem urigen kleinen Pub in Mayfair. Die beiden waren das entspannteste und freundlichste Paar von allen, die wir in der englischen Hauptstadt kennenlernten. Sie konnten kaum reden, ohne den Blick voneinander zu lösen, sich anzulächeln und sogar zu berühren. Wahre Liebe. Und nun alle zusammen: oooh …
Sehr witzig. Und sie haben unsere Beziehung völlig falsch verstanden.
Scheiße, ich vermisse ihn.
Ich vermisse ihn wirklich. Ich starre ein paar Minuten an die Decke und denke an die letzten sechs Monate. An all die Abende, die wir zusammen aus waren, und an das gemütliche Frühstücken in der warmen Küche, wenn es draußen noch dunkel war, und an die albernenen SMS und E-Mails. An die faulen Sonntage, wenn wir zusammen Zeitung lasen und Erdnussbuttertoast futterten, und an spontane Trinkgelage im Engineer, und an den Abend mit der Weihnachtsdekoration, und an Silvester, und an Hongkong…
Ich würde Robert liebend gerne von meinem neuen Job erzählen. Er wäre begeistert, das weiß ich.
Tränen treten mir in die Augen. Ich fühle eine unbeschreibliche Traurigkeit. Ich habe einen Kloß im Hals, so groß wie ein verdammter Golfball, und ich fühle mich… Was ist das für ein Gefühl?
Ich weiß, was es ist.
Ich habe Heimweh.
Ich lasse mich zurück in das Kissen sinken und starre an die Decke. Das ist nicht dasselbe Gefühl wie bei Dave. Ich fühle nicht diesen heftigen, widerlichen Schock oder diese Abneigung, weil Hoffnungen zerplatzten. Das war etwas anderes.
Das hier ist reine, unverfälschte Traurigkeit.
Die Freundschaft zwischen Robert und mir ist aus.
Nachdem ich noch ein paar Minuten länger an die Decke gestarrt habe, schnappe ich mir mein Handy und rufe Sophie an.
» Heyhey«, sagt sie, statt Hallo.
» Er fehlt mir, Robert fehlt mir, und wir werden nie wieder Freunde sein«, sage ich, und allein der Umstand, dass ich es laut ausspreche, macht mich so traurig, dass ich fast weinen muss. Ich reiße mich zusammen und hole tief und zitternd Luft. » Sophie? Bist du noch dran? Ich habe gesagt, Robert fehlt mir.«
Eine Pause entsteht. Ich höre ein leises Poltern im Hintergrund und dann eine Tür, die geschlossen wird.
» Okay, ich bin jetzt allein.
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