Der letzte Single fangt den Mann
Festnetztelefon. Du musst die Fernbedienung für den Fernseher suchen. Da steht Sony drauf… Sony. SONY . Ja, das ist es… Und jetzt drückst du auf die grüne Taste. Ganz oben rechts, Mum. Dreh die Fernbedienung um… na also. Nur einmal drücken, es dauert ein paar Sekunden… Und jetzt drückst du TV auf der Sky-Fernbedienung, und dann öffnet sich das Menü. Die Sky-Fernbedienung, Mum… Ja. Hurra! Gut gemacht.« Er unterbricht sich, und sein Mund verzieht sich zu einem breiten Lächeln. Er wirkt sehr jungenhaft, wenn er lächelt, denke ich plötzlich. Er hat sehr schöne weiße Zähne mit auffälligen Schneidezähnen, die ihm etwas Wölfisches verleihen. Er strahlt, und seine dicken Haare stehen in alle Richtungen ab, wie immer. Er fängt meinen Blick auf und grinst. » Ich gehe gerade mit Abby spazieren, deshalb kann ich nicht länger mit dir plaudern… Meine Mitbewohnerin, schon vergessen?« Er unterbricht sich und verdreht die Augen. » Nein, Mum, kannst du nicht. Ich muss jetzt auflegen. Ich melde mich nächste Woche. Hab dich auch lieb.« Er legt auf und stößt ein kurzes Lachen aus. » Gott! Ich kriege mindestens einmal pro Woche so einen Anruf.«
» Robert hat seine Mummy lieb«, sage ich mit fröhlicher Stimme, während wir rechts abbiegen und die andere Seite des Parks entlangschlendern.
» Das stimmt, ich habe meine Mum lieb. Ich habe ihr nie Kummer bereitet… obwohl, ich habe sie mal zum Weinen gebracht, als ich neun war. Ich habe kurz vor meiner Geburtstagsparty halb versehentlich, halb absichtlich meinen Geburtstagskuchen auf den Boden geworfen. Ich war sauer, weil er die Form von einem Fußball hatte statt von einem Cricketschläger.« Er macht eine Pause. » Meine Mum hatte für den Kuchen den ganzen Tag in der Küche gestanden. Sie ist in Tränen ausgebrochen… Danach hatte ich ein viel zu schlechtes Gewissen, um meine Party zu genießen. Ich habe heute noch Schuldgefühle deswegen.«
» Was für ein verwöhnter Bengel du warst. Ich habe nie was Schlimmes angestellt«, sage ich stolz, dann fällt mir ein: » Außer dass ich mal einen Bratschenbogen geklaut habe.«
» Einen was?«
» Einen Bratschenbogen«, artikuliere ich deutlich. » Ich war sieben, und ich habe meinen Bogen beim Spielen zerbrochen. Ich wusste sofort, das gibt mächtig Ärger. Also habe ich am nächsten Tag vor der Musikprobe jemandem den Bogen gestohlen. Ist das nicht schrecklich?« Ich seufze laut bei der Erinnerung. » Ich bin eine Diebin. Ich habe mich monatelang schlecht deswegen gefühlt.«
» Ich bin schockiert«, sagt Robert.
» Ich weiß«, entgegne ich traurig. » Das war ganz mies von mir.«
» Nein, ich bin schockiert, dass eine Siebenjährige Bratsche spielt«, sagt er mit verblüfftem Gesicht. » Komm, lass uns schneller gehen. Ich möchte was essen.«
» Wie wäre es mit Kaffee und Panettone im Carluccio’s?«, schlage ich vor.
Ich hake mich bei Robert ein, während wir weitergehen. Robert ist viel größer als ich und hat unendlich lange Beine. Darum mache ich alle paar Meter einen Ponyhüpfer, um mit ihm Schritt zu halten. Nach einer Weile bemerkt Robert meine Not und wird langsamer. In zufriedenes Schweigen gehüllt, gehen wir in Richtung St John’s Wood. Suzanne wohnt in St John’s Wood, denke ich. Iihhh. Schon wieder die Arbeit.
» Denkst du an die Arbeit? Das war ein Arbeitsseufzer«, sagt Robert. Er hat wieder einmal meine Gedanken gelesen.
» Ich will morgen nicht in die Schule. Ich fange an, es dort zu hassen… Ich stehe unter Suzannes besonderer Beobachtung. Das blockiert mich.«
» Such dir einen Job, der dir Spaß macht, und du wirst keinen Tag in deinem Leben mehr arbeiten«, sagt Robert.
» Danke für den heißen Tipp«, entgegne ich sarkastisch. » Du solltest Berufsberater werden.«
» Eine von Dads Lebensweisheiten. Er hat noch bessere. Zum Beispiel › Verschwende nie eine Erektion ‹ oder › Es ist nicht wichtig, wie groß oder klein es ist, sondern wie aggressiv es ist. ‹ «
» Den solltest du auf ein T-Shirt drucken. Oder besser noch, lass ihn dir auf die Stirn tätowieren.«
Robert dreht sich zu mir, als wir an der Prince Albert Road kurz stehen bleiben.
» Warum kündigst du nicht einfach? Du wirst ziemlich schnell herausfinden, was du willst, wenn du kein Geld mehr verdienst.«
» Nein«, sage ich sofort. » Das ist keine Option. Ich möchte nur, dass das Leben easy ist. Und ich will mich nicht immer schlecht fühlen, wenn ich meine Chefin sehe.«
» Dann
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