Der letzte Single fangt den Mann
Quartalszahlen in der Handelsabteilung präsentieren. Das ist normalerweise die von mir ungeliebteste Aufgabe in meinem Job (und außerdem einschüchternd), aber mein neues cooles und kugelsicheres » Ich tut so, als wäre ich begeistert davon«. Und um die Wahrheit zu sagen, ob es eine Folge davon ist oder Zufall, heute freue ich mich sogar fast darauf. Ich gehe mit federnden Schritten durch unseren Flur, vorbei an Suzannes Büro, und setze mich ein paar Minuten an meinen Schreibtisch.
Danach fahre ich mit dem Aufzug in die Trading-Abteilung. Dort präsentiere ich die überdurchschnittlich guten Ergebnisse und füge hinzu, dass wir erwarten, dass die Kurse weiter steigen. Kurz bevor ich anfing, hatte ich leichtes Magenflattern vor Nervosität, aber abgesehen davon läuft es gut. Zum Schluss gelingt mir sogar ein großes, strahlendes Lächeln. Wow. So tun, bis man es fühlt, in der Tat.
Als ich wieder zum Aufzug gehe, überholt mich ein Mann. Er drückt den Knopf und dreht sich um. Es ist derselbe Kerl, der vor ein paar Wochen den Spruch mit dem Zaumzeug und den Peitschen gebracht hat. Der arrogante Arsch. Der Aufzug kommt, und er hält mir die Tür auf, mit breitem Grinsen. Ich gehe hinein, und er, immer noch grinsend, stellt sich neben mich.
» Hey«, sagt er lässig. » Nach unten?… Ich meine, welche Etage?«
» Die sechste«, sage ich. » Danke.«
» Ich hatte gestern einen richtig abgefahrenen Abend«, bemerkt er. » War bis morgens um vier im Cuckoo Club.«
» Wow«, sage ich.
» Ja«, sagt er. » Ach, übrigens, tolle Präsentation. Ein paar meiner Kunden werden sich freuen, das zu hören. Vielleicht könnten wir uns… mal treffen…«
» Der vollständige Bericht ist schon unterwegs«, unterbreche ich ihn. » Sie können alles in Ruhe nachlesen.«
Schweigen.
Wir erreichen meine Etage, und ich steige aus, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen.
Auf dem Weg zu meinem Schreibtisch sehe ich einen sehr großen, breitschultrigen Mann aus Suzannes Besprechungsraum kommen. Aus der Ferne erinnert er mich an Robert.
» Abigail«, bellt Suzanne. Ich gehe mit einem dienstbereiten Lächeln zu ihr hinüber. Ich begegne ihr gerne im Stehen, da ich zwanzig Zentimeter größer bin und sie mir dann nicht so viel Angst macht. » Das ist André.«
Ich drehe mich lächelnd zu dem Mann, und er erwidert meinen Blick mit einem charmanten Grinsen.
» Freut mich, Sie kennenzulernen.«
Franzose. Lange Wimpern. Charme, der aus allen Poren sickert.
» André wird in den nächsten paar Monaten oft in unserem Londoner Büro sein. Er kommt von der Niederlassung in Paris und wechselt im Februar nach China.«
» Super«, sage ich und halte Andrés warmem, schokoladigem Blick stand, ohne mit der Wimper zu zucken.
Suzanne spricht über das Projekt, das André bei uns betreut. Ich konzentriere mich zunächst darauf, unseren Augenkontakt nicht als Erste zu unterbrechen. Je länger ich seinem Blick standhalte, desto stärker versucht er, nicht zu lächeln. Ich frage mich, ob es unprofessionell ist, wenn ich mich mit ihm verabrede, solange er hier bei uns ist. Scheiß drauf, ich will aber. Und ich wette, er will auch.
» André!«, bellt Suzanne, und er ist gezwungen, den Blick als Erster abzuwenden, da Suzanne ihm einen anderen Mitarbeiter von unserer Etage vorstellen möchte.
» Sollen wir heute Mittag zusammen essen gehen?«, schlägt Charlotte vor, als ich mich an meinen Schreibtisch setze. » Und wer zum Teufel ist das?«
» Ja, lass uns zusammen essen gehen«, antworte ich. » Und das ist André.«
Es ist nun sechs Wochen her, dass Charlotte sich von wie auch immer er heißt getrennt hat. Sie hat seitdem eine dramatische Verwandlung hinter sich. Die mausgraue Charlotte ist Vergangenheit. Sie hat nun goldblonde Strähnchen, die ihren Teint zum Strahlen bringen, statt ihn fahl wirken zu lassen, und sie trägt neuerdings Make-up und hohe Absätze und keine Ponchos mehr. Insgesamt sieht sie viel flotter aus und fällt auf. Sehen Sie? Das Singleleben. Das Beste, was es gibt.
Es kommt mir vor, als hätte ich eine neue Arbeitskollegin. Alistair erzählte uns, dass er auf seiner Abschiedsparty vor ein paar Wochen dreimal gefragt worden sei, wer die Neue ist, was Charlotte und mich vor Genugtuung kichern ließ. Die beste Möglichkeit, aus einer Bekannten eine Freundin zu machen, ist, wie ich festgestellt habe, ihr in einer Lebenskrise beizustehen. Oder gemeinsame Begeisterung zu entdecken (in unserem Fall für Grease
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