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Der Letzte Tag Der Schoepfung

Der Letzte Tag Der Schoepfung

Titel: Der Letzte Tag Der Schoepfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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dran sein, dann ist Eile geboten. Deshalb verstehe ich Ihr Zögern nicht, meine Herren. Wer zuerst da ist, mahlt zuerst.«
    Fleissiger warf dem Japaner einen hilflosen Blick zu und schüttelte unmerklich den Kopf, bevor er sagte: »Leider trifft diese schöne alte Bauernregel in unserem Fall nicht zu. Man könnte eher sagen: Wenn der Erste seinen Zug getan hat, ist der Zweite schlauer.«
    »Wir werden uns niemals in die Defensive drängen und uns unser Handeln diktieren lassen.«
    »Sir, darauf wird es aber hinauslaufen. Das ist nicht so wie beim Mensch-ärgre-dich-nicht, wo Sie lospreschen können, wenn Sie den ersten Wurf und freie Bahn haben. Das ist eher wie beim Schach unter gleichwertigen Partnern: Sie müssen stets auf den Zug ihres Gegners reagieren. Nur kann bei Ihrem Vorhaben, Admiral Francis, anders als beim Schach, schon der erste Zug verhängnisvoll sein.«
    »Wie soll ich das verstehen?«, fragte der Admiral ungeduldig. Ein krachender Donnerschlag bekräftigte seine Frage; Regen prasselte gegen die Scheiben. Fleissiger zündete sich eine Zigarette an, bevor er antwortete.
    »Sehen Sie, Sir, das ist so: Angenommen, Sie setzen im 16. Jahrhundert ein Kommando-Unternehmen in Alaska ab, das nach Kamtschatka übersetzen und einen großen Teil des an Bodenschätzen reichen Ostsibiriens für die USA sichern soll, bevor die Offiziere des Zaren dort auftauchen und es in Besitz nehmen.«
    »Die Weltgeschichte würde einen ganz anderen Verlauf nehmen. Und wie stünden wir den Sowjets gegenüber heute strategisch da?«, rief der Admiral triumphierend. »Das ist es, Professor! Genau das ist es!«
    »Aber erlauben Sie, Sir, das ist doch blanker Unsinn«, sagte Berger ungeduldig. »Im 16. Jahrhundert gibt es eine Hand voll englischer, französischer und holländischer Siedler an der Ostküste, die vor Hunger beinahe umkommen und sich kaum der Rothäute erwehren können. Wie wollen Sie da im Namen der USA, die es erst zweihundert Jahre später geben wird, in Sibirien territoriale Besitzansprüche geltend machen. Das sind doch Hirngespinste!«
    »Moment mal, Herr Dr. Berger. Territoriale Besitzansprüche kann jeder geltend machen, wenn er sie auch verteidigen kann«, entgegnete Fleissiger. »Und wenn eine zukünftige USA im 16. Jahrhundert bereits in der Lage wäre …«
    »So gefallen Sie mir schon wesentlich besser, Professor«, sagte Francis versöhnlich.
    Der Japaner musterte den Admiral neugierig unter schweren, faltigen Lidern hervor, dann ließ er sich verächtlich schnaufend im Sessel zurücksinken. Seinem Gesicht war beim besten Willen nicht zu entnehmen, ob er es sarkastisch meinte, als er sagte: »Der Haken ist nur, dass die Leute, welche die Interessen der anderen vertreten, sich praktisch 500 Jahre Zeit lassen können und dann in aller Ruhe eine Kompanie Infanterie in die Vergangenheit just dahin befördern, dass sie genau an dem Tag, an dem Ihre Leute ahnungslos zur Landung ansetzen, dort sind, um ihnen einen heißen Empfang zu bereiten. Und der Empfang wäre etwa so heiß, wie eine Kompanie Leathernecks der US-Marines ihn einem Fähnlein Kreuzritter bereiten könnte, will sagen, 500 Jahre waffentechnischer Entwicklung wären sie ihnen voraus. Ihr Stoßtrupp, Admiral Francis, wäre ein verlorener Haufen. Verstehen Sie nun, was Mister Fleissiger meint?«
    Francis gefror sein siegesgewisses Lächeln auf den schmalen, glatt rasierten Wangen; Hollister schlug trübsinnig die Augen nieder; Berger blickte mürrischer drein denn je.
    »Und bisher haben wir noch nicht einmal den Aloysius-Effekt in Erwägung gezogen«, warf Sam Fleissiger ein.
    »Den was?«, wollte der Admiral wissen.
    »Den Aloysius-Effekt«, wiederholte Fleissiger und sah Francis mit tadelndem Blick über den Brillenrand hinweg an. »So genannt nach Raphael Aloysius Lafferty, dem Erfinder der phänomenalen Ktistec-Maschine.«
    »Ein Science-Fiction-Autor der sechziger und siebziger Jahre«, fügte Kafu erläuternd hinzu, als er den irritierten Blick des Admirals bemerkte, den dieser den beiden NASA-Wissenschaftlern zuwarf. »Lafferty hat sich unter anderem eingehend mit dem Phänomen der Zeitreise und den Konsequenzen von Zeitfrakturen befasst.«
    »Was soll der Unsinn?«, fuhr Berger auf. »Ich habe allmählich den Eindruck, dass Sie uns hier auf den Arm nehmen wollen, meine Herren.«
    »Keineswegs, Dr. Berger«, entgegnete Fleissiger. »Das ist kein Unsinn. Lafferty behauptet nämlich - und seine Argumentation ist absolut logisch -, dass man mit

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