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Der Letzte Tag Der Schoepfung

Der Letzte Tag Der Schoepfung

Titel: Der Letzte Tag Der Schoepfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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fensterlosen Saal verließ, erschrak er geradezu, weil er nicht erwartet hatte, ins grelle Sonnenlicht hinauszutreten. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund hatte er das Gefühl gehabt, es müsse draußen stockfinstere Nacht sein. Er war wie betäubt und hatte Kopfschmerzen; deshalb verzichtete er auf das Mittagessen und legte sich für ein paar Stunden hin. Er ruhte mit bleischweren Gliedern unter dem kühlen Laken und beobachtete noch eine Zeit lang den blassblauen, mit einem verchromten Gitter geschützten Ventilator, der sein Gesicht mit roboterhafter Geduld um 90 Grad in diese und jene Richtung schwenkte. Nach einer Weile war er eingeschlafen.
    Ein Klopfen an der Tür weckte ihn. Jerome stand draußen mit Harald und Moses im Schlepptau.
    »Wir geben unseren Einstand als Temponauten«, sagte Harald Olsen augenzwinkernd. Seine schütteren blonden Haare waren nass vom Duschen an den Kopf geklatscht, der Schnurrbart frisch gezwirbelt. Er sah aus wie eine neugierige junge Robbe und hatte es tatsächlich fertig gebracht, sich in wenigen Minuten an der Sonne Floridas einen Sonnenbrand zuzuziehen.
    »Wir müssen vor allem das Ausklinken üben«, meinte Jerome.
    Steve nahm eine kalte Dusche, kleidete sich an und zog mit den anderen los. Er hatte einen Bärenhunger und einen noch größeren Durst, aber es gab nur tiefgefrorenes Dosenbier, das einen grauenhaften Geschmack hatte. Später gelang es ihnen, Paul Loorey zu überreden, den Rest seiner Whiskybestände herauszugeben. Er kaufte sich damit frei, weil er den Abend mit der Kleinen von der NASA verbringen wollte. Sie hieß Jane Brookwood und arbeitete in der logistischen Abteilung des Westsenke-Unternehmens. Sie wusste genau, welches Material wo abgesenkt wurde, nur wollte Loorey etwas ganz anderes wissen, und sie schien nicht abgeneigt.
    Harald, Jerome, Moses und Steve zogen sich in Calahans Apartment zurück und klinkten aus - und zwar völlig. Keiner von ihnen wusste später, wie er nach Hause gekommen war.

Ausgeklinkt
    Nach zehn Wochen theoretischen Unterrichts am Cape und in Houston durch verschiedene Spezialisten, vor allem durch Geologen, Geophysiker, Erdöl-und Pipeline-Spezialisten, erfahrene Lehrer und Ingenieure, aber auch durch Biologen, Botaniker, Paläontologen und Anthropologen, wurde die Einsatzgruppe zur Ausbildung nach Arizona verlegt. Dort wurden sie mit neuem militärischen Gerät vertraut gemacht: mit der Katze , einem leichten Kettenfahrzeug, das speziell für die Bewegung in Wüste und Savanne entwickelt worden war, aber auch extreme Steigungen überwinden und in sumpfigem Gelände operieren konnte; und mit dem Fireflash , einem mittelschweren Raketenwerfer der Navy, mit dem sich auch taktische Atomgranaten verschießen ließen.
    Sie übten das Fahren in steilem und unwegsamem Gelände, lernten die Tricks, mit denen man sich aus Sumpflöchern befreite und Sanddünen überwand, bauten Unterstände in lockerem Boden und gruben Brunnen in knochentrockenen Gegenden, machten mit Fallen Jagd auf Kleintiere und würgten am Spieß gebratene Eidechsen hinunter.
    Die Jagd auf Eidechsen war meistens erfolgreich. Die Tiere waren träge, denn um diese Jahreszeit blies meistens ein eisiger Nordwind. Obwohl die Sonne herabbrannte, stieg das Thermometer selten über fünfzehn Grad Celsius. Das Jahr 1985 ging seinem Ende entgegen, der Winter brach früh herein. In den Bergen hatte es bereits geschneit.
    Steve flog jedes Wochenende, an dem er freimachen konnte, von Tucson nach Albuquerque hinüber, um Lucy zu besuchen. Er hatte irgendwie ein schlechtes Gewissen, weil er sich zu dem Projekt gemeldet hatte, und behandelte sie deshalb besonders liebevoll. Sie genoss es und lächelte.
    »Mach dir nicht so viele Gedanken darüber, Frankieboy«, sagte sie. »Du bist im Grunde deines Herzens ein Abenteurer, und das liebe ich an dir. Ich bin eben eher ein sesshafter Typ, halte seit fast zwanzig Jahren O’Noolys Kram in Ordnung, tippe die Rechnungen an seine Klienten und treibe sein Geld ein - und sehe mit Schrecken dem Tag entgegen, an dem der Kauz einmal nicht mehr sein wird. Mein Gott, mir wird ganz schlecht, wenn ich nur daran denke. In fünf Jahren bin ich wahrscheinlich eine langweilige alte Schachtel, aber wer weiß? Wenn du Lust hast, dann schau doch mal vorbei. Würde mich freuen, auch wenn es nur auf’ne Tasse Tee ist. Schreib mal von unterwegs.«
    Steve biss die Zähne zusammen. Es war ihm nicht wohl in seiner Haut, aber er konnte ihr nicht sagen, dass er dazu

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