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Der Letzte Tag Der Schoepfung

Der Letzte Tag Der Schoepfung

Titel: Der Letzte Tag Der Schoepfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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keine Gelegenheit haben würde. Er kam sich ziemlich schäbig vor, fühlte sich wie ein halbherziger Liebhaber, der sich nach einer verstohlenen Liebesnacht klammheimlich aus dem Staub macht.
     
    Ende März 1986 wurden sie auf einen Truppenübungsplatz der Air Force südlich des Utah-Lake verlegt, auf dem Luftlande-Einheiten unter schwierigen Bedingungen trainierten. Sie übten das Ausklinken zuerst aus zweitausend, dann aus tausendfünfhundert und schließlich aus tausend Metern Höhe, zunächst ohne Ausrüstung, um ein Gefühl für die Flugeigenschaften des Gleiters zu bekommen, später mit kompletter Ausrüstung und Bemannung. Der Drache , wie das etwa zwölf Meter lange Gleitflugzeug genannt wurde, war ein rochenförmiges Gebilde aus Leichtmetall und Plastikfolienbespannung, in dessen Rumpf eine Katze samt Anhänger und eine Unmenge an Ausrüstungsgegenständen und Waffen Platz fanden. Ein alter Sikorski S-64 »Skycrane« brachte sie auf Höhe und flog sie ins Landegebiet.
    Dann immer wieder dasselbe: die zermarterten, quälenden Worte einer Stimme im Kopfhörer, Wechselgesänge des 20. Jahrhunderts, mühsam verständlich unter den rhythmischen Peitschenhieben der Tragflächen des Lastenhubschraubers, die kurze Liturgie eines Countdown, dann plötzlich Schwerelosigkeit. Die Ruder signalisieren allmählich Widerstand, das Peitschen der Rotoren verstummt, Stille; ein leises Wimmern wird laut, die Luft reibt sich an der Außenhaut des Gleiters. Weite tut sich auf, dunkle weißschopfige Berge in der Ferne, darunter eine gleißende Schüssel, bereitgehalten, um sie sicher aufzufangen. Fluggefühl. Das Singen von Metallsaiten, Verspannungen, Trossen, mit denen die Ruder bewegt werden; dann wieder heiseres Gekläff im Funkgerät, die Meute der Bodenmannschaft hat sich auf ihre Spur gesetzt. Durchtreten der Pedale, um die Landekufen auszufahren und anzuwinkeln; die Schüssel kippt nach unten, Himmel schwappt herein; Nase noch höher mit einem kraftvollen Heranziehen des Knüppels, ein Schwall Sonne, Bodenberührung, das scharfe Kratzen der Kufen, dann das federnde, pumpende, leicht schnatternde Aufsetzen des großen gespeichten Bugrades, gesprenkelte Helligkeit, Vorbeifetzen von Zweigen und Gebüsch, das schaukelnde Scharren der Kufen und Rumpeln der Kufenräder, das langsam erstirbt.
    Öffnen der Gurte. Warten. Von Umschaltpiepsern zerstanzte Dialoge, Ziffernfragmente. Zernagte Stille. Dann hat sie die Meute eingekreist, fällt über die Geräte her, beißt sich fest. Sie werden ungeduldig aus dem Lander verscheucht wie lästige Fliegen, klettern steifbeinig aus der Kanzel und gehen im Mittagslicht zu einem wartenden Jeep. Geruch nach heißem Öl und verbranntem Gummi. Kalter Frühlingswind, der an kärglichen Büschen zerrt, noch vom letzten Sommer versengt. Das Knacken von erhitztem Metall, das sich abkühlt und zur Ruhe kommt.
     
    Jerome Bannister und Steve Stanley sollten zusammen eine Zweiergruppe bilden. Ihr Gepäck bestand aus einer voll getankten Katze mit Anhänger, fünfzehn Kanistern Treibstoff, Funkgerät, Zweimannzelt mit Schlafsäcken, Feldapotheke und Campingklo, Wäschesack, Wasserbehälter, zwei weitere leichte Kampfanzüge, Verpflegung für neunzig Tage und darüber hinaus vitaminreiche Trockenkonzentrate; Waffen: ein schweres Maschinengewehr, zwei Maschinenpistolen, zwei Schnellfeuergewehre, die zur Jagd umgerüstet werden konnten, und insgesamt etwa 10 000 Schuss Munition. Die Vorräte waren bei Bedarf an den Depots zu ergänzen, die seit Monaten von der Sechsten US-Flotte entlang der nordafrikanischen Küste, entlang der Westküste von Sardinien und Korsika und nördlich der Balearen ausgeklinkt wurden. Die Ausrüstungscontainer wurden in die Vergangenheit katapultiert und gingen an Fallschirmen in den Randgebieten der Westsenke nieder.
    Harald Olsen, Moses Calahan und Paul Loorey sollten eine der mobilen technischen Basiseinheiten bilden, die jeweils mit einem Jeep samt Anhänger ausgerüstet waren. Zu ihnen stieß als vierter Mann Captain Salomon Singer, ein Psychologe und Anthropologe von der Harvard University, der in jungen Jahren in Vietnam gewesen war und damit zu den wenigen Leuten des Unternehmens gehörte, die überhaupt Fronterfahrung hatten. Er war Ende dreißig, hatte mittelblondes krauses Haar, das nicht so recht zu seinem dunklen Teint und dem fleischigen, stets in Kummerfalten gelegten Levantinergesicht passen wollte. Er war mittelgroß und ziemlich dürr, konnte aber Unmengen an

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