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Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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Dann werde ich alles wissen, was Sie auch wissen?«
    »Darauf gebe ich Ihnen mein Wort. Wenn Sie morgen dann zurückkommen – und Sie müssen zurückkommen, Kyle, Sie müssen –, dann werden Sie wissen, was bislang nur ich weiß, nämlich worum es sich bei Schwester Katherines Hinterlassenschaft handelt und wer die Blutsfreunde sind.«

Antwerpen,
24. Juni 2011, 11.30 Uhr
     
    »Max bat mich, Ihnen ein bisschen Hintergrundwissen über Niclaes Verhulst und die Blutsfreunde zu vermitteln.«
    Kyle schüttelte Dr. Pieter Gemeen die Hand. »Er schickt mich, damit ich mir ein paar Gemälde ansehe.«
    Pieter sah ihn ernst an. »Alles zu seiner Zeit. So etwas soll man nicht auf die leichte Schulter nehmen.« Dann entspannte er sich wieder und lächelte: »Kommen Sie. Wie wär’s mit einem Kaffee? Oder ein Bier vielleicht. Bier wäre besser.«
    »Es ist noch früh.«
    Pieter grinste ihn an. »Bier ist das Beste. Vertrauen Sie mir in dieser Sache.«
    Sie hatten sich am Bahnhof getroffen. Der Historiker und Experte für die Renaissance erwartete ihn auf dem Bahnsteig des Flughafenzubringers. Kyle war sich nicht sicher, ob er jemals mit jemandem zu tun gehabt hatte, der eine Fliege trug. Und er fragte sich, wie er überhaupt hatte annehmen können, dass jemand, der mit Max befreundet war, nicht exzentrisch wäre. Pieter Gemeen jedenfalls passte mit seinen wirren weißen Haaren, die er wie eine viel zu lange Tolle akribisch nach hinten frisiert hatte, eindeutig in das Klischee des verrückten Professors. Sein spitzes Gesicht wurde vor allem von der herausragenden Nase beherrscht,
auf der eine winzige Brille saß. Seine Brauen waren sehr dicht gewachsen und verliefen so schneidig nach hinten, dass man unwillkürlich an eine Figur aus der Muppet Show denken musste. Diese Beobachtung hätte er nur allzu gern Dan mitgeteilt, ohne den er sich in dieser fremden Stadt verletzlich und einsam fühlte.
    Dan hatte ihn während des Flugs fünfmal angerufen. Allein schon sein Name auf der Liste der nicht entgegengenommenen Anrufe hatte Kyle erleichtert und ihm ein wenig Sicherheit und Wärme vermittelt. Nach einer Nacht ohne seinen Kumpel hatte er das dringende Bedürfnis den Schaden, den ihre Freundschaft auf dem Rückflug von Seattle erlitten hatte, zu reparieren. Dan hatte mit ungewöhnlich kleinlauter Stimme und in einem sehr unsicheren Ton zwei Nachrichten hinterlassen.
    He, Alter, wo bist du? Ruf mich an. Scheiße. Das wirst du nicht glauben. Ich hab was gefunden. O Mann.
    Anschließend hörte man angestrengtes Atmen und leise Hintergrundgeräusche. Es klang, als würde Dan etwas Schweres herumtragen. Die Kamera? Danach war die Zeit abgelaufen, und die Nachricht brach ab. Der erste Anruf war um fünf Uhr morgens eingegangen, als Kyle gerade die Sicherheitskontrolle auf dem Flughafen in Stansted passierte. Er war um halb vier vom Sofa in Max’ Büro aufgestanden. Hatte drei Stunden lang ungestört geschlafen, bevor Iris ihn weckte, Toast und Kaffee brachte und er kurz darauf das Taxi zum Flughafen nahm. Kyles Flug nach Antwerpen startete in London um sechs Uhr früh.
    Dans zweite Nachricht kam zwanzig Minuten nach der ersten rein: Alter, das ist echt krank. Du musst mich anrufen. Sofort. Geh an dein verdammtes Telefon.
    Es waren noch drei weitere nicht entgegengenommene Anrufe mit Dans Nummer auf der Liste verzeichnet, die zehn, zwölf und sechzehn Minuten nach der zweiten Nachricht eingegangen waren. Seit seiner Ankunft in Antwerpen hatte Kyle zweimal bei Dan angerufen, aber der hatte nicht abgehoben. Also hinterließ
er eine Nachricht und erklärte knapp, wo er war und was er hier vorhatte. Er fragte sich, ob Dan vielleicht zu Finger Mouse gegangen war, um beim Videoschnitt dabei zu sein. Vielleicht hatten sie bei ihrer Nachtschicht ja etwas Interessantes auf den Aufnahmen gefunden, vielleicht auch auf der Tonspur. Aber dann kamen ihm andere, finstere Gedanken, und er fragte sich, ob Dan vielleicht in Gefahr war. Immerhin hatte er seinen Freund in einer problematischen Situation alleingelassen. Eine eiskalte Angst lähmte ihn, als er auf dem Bahnsteig stand, und einen kurzen Moment dachte er daran, zum Flughafen umzukehren.
    Nein, entschied er dann, er war jetzt hier und nicht mehr weit von dem Ort entfernt, an dem er herausfinden konnte, was die ganze Zeit im Dunkeln Jagd auf sie machte. Er musste es unbedingt wissen und so lange die Nerven behalten, bis Dan sich wieder meldete und erzählte, was los war. Wahrscheinlich hatte

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