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Der letzte Vampir

Der letzte Vampir

Titel: Der letzte Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wellington
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wünschte. Sie konnte förmlich fühlen, wie er sich an ihrer Schädelbasis wand und versuchte, ihr Rückgrat herunterzukriechen.
    Sie konzentrierte sich auf die Einzelheiten, versuchte, nicht das große Ganze zu sehen. Das war schwierig. Überall waren Polizisten in unterschiedlichsten Uniformen, die Beweise sicherten und ihre Arbeit erledigten. Vor lauter Knochen nahm sie sie kaum wahr. Hier war es wie in einer Gruft, nicht wie in einem Haus. Knochen waren wie Feuerholz aufgestapelt, an den Wänden, auf dem weißen Emailleherd, in Schränken. Jemand hatte sie nach Schädeln, Beckenknochen, Rippen und Gliedmaßen sortiert. »Zwangsstörung«, hauchte Caxton.
    »Nun, da könnte allerdings etwas dran sein«, meinte Arkeley. »In Osteuropa hat man Senfkörner um einen Vampirsarg gestreut. Man nahm an, der Blutsauger müsste sie alle zählen, bevor er gehen konnte, und wenn man nur genug verstreute, würde er bei Einbruch der Morgendämmerung noch immer zählen. Wir wissen nicht viel darüber, womit sich Vampire und Halbtote beschäftigen, wenn sie nicht auf der Jagd sind. Wir wissen, dass sie nicht fernsehen – es verwirrt sie. Sie verstehen unsere Kultur nicht, und sie interessieren sich auch nicht dafür. Vielleicht haben sie ihren eigenen Zeitvertreib. Vielleicht sitzen sie da und sortieren Knochen.«
    Caxton ging weiter in den Wohnraum, hauptsächlich, um von den Knochen wegzukommen. Was sie hier vorfand, war noch schlimmer. Sie verschränkte die Arme vor dem Leib und klammerte sich so an sich selbst. Um einen großen Kamin standen eine Couch und drei bequem aussehende Stühle. Tote in verschiedensten Stadien der Verwesung waren dort in Pose gesetzt; manche hatten den Arm um ihren Nachbarn gelegt, andere stützten sich auf ihre Ellbogen. Draht stabilisierte sie aufrecht und in bequem aussehender Haltung.
    »Mein Gott.« Es war zu viel. Nichts davon leuchtete ihr ein. »Ich verstehe das nicht. Der Vampir hat all diese Menschen leergesaugt. Er hat die Leichen behalten. Dann hat er Farrel Morton und seine Kinder getötet und kam auf die Idee, dass er ihre Leichen verstecken musste. Warum der plötzliche Gesinnungswandel? Was war an Morton anders?«
    »Jemand konnte ihn vermissen.« Das war eine Fotografin aus dem Sheriffbüro. Sie war eine Asiatin, die ihr Haar in langen Zöpfen um den Kopf gewunden trug. Caxton hatte sie schon einmal gesehen, an irgendeinem Tatort. »Soweit wir das sagen können, handelt es sich hier um Latinos, alles Männer im Alter zwischen fünfzehn und vierzig Jahren.«
    Arkeley runzelte verwirrt die Stirn. »Und was folgt daraus?«
    Da kam endlich Caxtons Gelegenheit, sich ins richtige Licht zu rücken. Das Verlangen, Arkeley zu beeindrucken, spülte ihre Übelkeit hinweg. »Es deutet darauf hin, dass sie Migranten waren. Mexikaner, Guatemalteken, Peruaner – sie kommen jedes Jahr her, um in den Pilzhütten zu arbeiten oder auf den Plantagen Obst zu pflücken. Sie ziehen von Stadt zu Stadt, immer der Erntesaison nach, und sie bezahlen immer nur in bar, darum hinterlassen sie auch keine Spuren, die man anhand von Kreditkartenabrechnungen und dergleichen verfolgen könnte.«
    »Illegale Immigranten«, sagte Arkeley und nickte. »Das klingt plausibel.«
    »Es ist schlau«, sagte die Fotografin. Sie sah verärgert aus, sogar richtig wütend. Caxton wusste, dass manche Polizisten Furcht und Misstrauen in Wut umwandelten. Es half ihnen, ihre Arbeit zu tun. Die Fotografin hob die Kamera und schoss drei schnelle Aufnahmen eines fleischlosen Beckens auf dem Kaffeetisch. Jemand hatte es als Aschenbecher benutzt. »Scheiße, wirklich schlau. Niemand kümmert sich um Migranten. Selbst wenn sie zu Hause jemand vermissen sollte, was könnten sie schon tun? Herkommen und die amerikanische Polizei um Hilfe bitten? Keine Chance. Man würde sie bloß ausweisen.«
    »Also hat der Vampir hier monatelang gelebt und unsichtbare Menschen gefressen«, sagte Caxton. »Dann taucht der Besitzer mit seinen Kindern auf. Verdammt.« Sie dachte nach. »Die Halbtoten wollten die Leichen nicht wegschaffen, um mehr Halbtote aus ihnen zu machen. Sie wollten sie irgendwo abladen, um von diesem Ort abzulenken.«
    »Ja«, fauchte die Fotografin. »Wollten nicht scheißen, wo sie aßen.« Sie machte ein weiteres Bild, dieses Mal von einem Schirmständer, der zur einen Hälfte mit Schirmen, zur anderen mit Oberschenkelknochen gefüllt war.
    »Also gut, Clara.« Ein stämmiger Deputy griff nach dem Arm der Fotografin. »Es reicht.

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