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Der letzte Vampir

Der letzte Vampir

Titel: Der letzte Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wellington
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geschickt. Sie hatte sie erwischt, verhaftet, vor Gericht gegen sie ausgesagt. Die Täter waren armselige, gebrochene Menschen, Menschen, bei denen der Drang zur Flasche oder zu Metamphetaminen stärker war als der, dem Gefängnis zu entgehen. Keiner hatte großartig Widerstand geleistet, und keiner hatte ihr vor Gericht in die Augen sehen können. Welche Bedeutung sollten ein paar betrunkene Geschäftsmänner und bekiffte Teenager für Justinia Malvern haben?
    Also musste es etwas Persönliches sein. Aber was? Sie war niemand, der sich viele Feinde machte. Sie hatte auch nicht viele Freunde – was sie wieder an Efrain Reyes denken ließ. Arkeley hatte ihn als einen Niemand bezeichnet. Jemanden ohne eigenes Leben. Jemanden, den keiner vermisste, wenn er starb. Caxton hatte ein eigenes Leben, jedenfalls gewissermaßen, aber es war voller Löcher. Ihre Eltern waren tot, und sie hatte keine Geschwister. Sie hatte ein paar Freunde in der Truppe, aber sie unternahmen nur selten etwas gemeinsam. Der Barbesuch mit Clara Hsu war der erste seit Monaten gewesen. Clara … Clara würde sich fragen, was mit ihr geschehen war, sollte sie verschwinden, aber nicht lange. Deanna würde am Boden zerstört sein, mental zerstört, aber die einzige wirkliche Veränderung in Deannas Nach-Caxton-Leben würde darin bestehen, dass sie wieder bei ihrer Alkoholiker-Mutter einziehen müsste. Wenn der eine Mensch, der das Zentrum des eigenen Lebens bildete, selbst kein nennenswertes Leben hatte – was sagte das über einen aus? Sie hatte die Hunde, die sie schrecklich vermissen würden; aber zählten Hunde?
    Malvern hatte nach einem vierten Kandidaten gesucht, jemandem, den sie ihrer Brut hinzufügen konnte. Jede Zelle in Caxtons Körper vibrierte. Sie starrte das Fett und die Knorpel auf ihrem Teller an und fühlte, wie ihr Mageninhalt nach oben stieg. Würde Malvern sie zum Vampir machen? Konnte sie das überhaupt?
    Sie stieg wieder in den Wagen und raste nach Hause. Sie musste in ihre eigenen vier Wände, musste sich eine Weile sicher fühlen. Am nächsten Morgen würde sie ausschlafen, entschied sie, und andere, qualifiziertere Leute das Umspannwerk stürmen lassen.
    Sie kannte die Straßen zu ihrem Haus wie ihre Westentasche. Sie konnte den Weg im Halbschlaf fahren und tat es auch oft. Aber als sie sich der Auffahrt näherte, kam es ihr plötzlich vor, als hätte sie das Grundstück noch nie zuvor gesehen. Als wäre sie in ihrem eigenen Haus nicht mehr willkommen.
    Unnatürlich, pflegte Arkeley zu sagen. Vampire waren ein Verbrechen wider die Natur. Ob das wohl so ein Gefühl war? Von Leben und Wärme umgeben zu sein und sich dann zu fühlen, als würde man einen fremden Planeten besuchen?
    Sie bog in die Auffahrt ein und hielt ruckartig an, als sie etwas hörte. Ein Klirren, der hohe Klang von zerbrechendem Glas, als wäre ein Fenster eingeschlagen worden. Sie zog die Waffe und betrat langsam und unendlich vorsichtig den Rasen. An der Frontseite des Hauses konnte sie nichts Auffälliges erkennen, also ging sie langsam um die Ecke, auf den Zwinger und Deannas Schuppen zu.
    Fenstersplitter verunreinigten den schmalen Gartenweg, lange, dreieckige Stücke, die an der Hauswand lehnten. Neben dem eingeschlagenen Fenster stand jemand in einem Kapuzensweatshirt, vielleicht ein Teenager, dessen Hände auf dem leeren Rahmen ruhten. Er sah aus, als würde er sich mit jemandem im Haus unterhalten.
    »Keine Bewegung!«, bellte sie.
    Der Junge drehte sich um, sah sie an. Haut hing in langen Streifen von seinem Gesicht herunter. Er war ein Halbtoter. Sie feuerte ohne nachzudenken, und sein zerbrechlicher Körper zerplatzte in tausend Stücke. Die Klumpen klatschten zu Boden. Der Gestank, der davon ausging, trieb Caxtons die Tränen in die Augen. Sie trat trotzdem näher, in der Absicht, seine Taschen zu durchsuchen, und hatte dabei endlich Gelegenheit, durchs Fenster zu schauen.
    Deanna stand dort, mit nacktem Oberköper, die ausgestreckten Hände, die untere Gesichtshälfte, die nackte Brust voll hellrotem Blut.

30.
    »Mein Gott, Dee, was hat er dir angetan?«, schluchzte Caxton. Sie fuhr mit einem nassen Wachlappen über Deannas Gesicht und entdeckte eine etwa zehn Zentimeter lange Wunde am Kinn. Sie würde genäht werden müssen, wenn sie Deanna überhaupt ins Krankenhaus bekam, bevor sie verblutete. Mit spitzen Fingern zog Caxton große Glassplitter aus dem Schnitt, aber das verstärkte nur die Blutung. Sie riss die Schublade auf, in der sie

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