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Der letzte Vorhang

Der letzte Vorhang

Titel: Der letzte Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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dritten Tag
beanspruchen. Wir haben es für Dienstag und Mittwoch angesetzt, so daß der Donnerstag dazugenommen werden
kann, falls erforderlich. Die geschätzten Kosten für den dritten Tag liegen bei
12 500 Dollar. Wegen des Umfangs der Licht- und Tontechnik, sagt Ellis, wird
die Elektrik von 8 auf 12 Personen aufgestockt.
     
     

15.
Kapitel
     
    »Häschen, Schatz, vergiß es nicht. Wir sprechen
durch, wie wir mit Mort umgehen, und dann kannst du es beider Sitzung allein machen.«
    Sie knirschte mit den Zähnen. »Genau.«
     
    Obwohl es noch eine Woche bis Thanksgiving war,
strahlte New York schon in weihnachtlichem Schmuck, lästig und zynisch
zugleich. Gemäß der New Yorker Tradition stürzten sich die Stadt und ihre
Bewohner an dem Montag, der auf Thanksgiving folgte, in eine Orgie aus
Weihnachtseinkäufen, Cocktailpartys, Brunches, Tagen der offenen Tür und
allgemeinen Festlichkeiten. Der Versuch, darüber hinwegzusehen, war so
vergeblich, als wollte man eine Flutwelle mit der Handfläche aufhalten. Für
Wetzon wurde die Weihnachtszeit erst amtlich, wenn während der ersten
Dezemberwoche am Baum im Rockefeller Center die Kerzen aufflammten.
    Sie hatte den Coffee-Shop mit dem unpassenden
Namen Broadway Diner in der Lexington in Höhe der fünfziger Straßen
vorgeschlagen. Niemand, den Wetzon kannte, ging dorthin, also war er bestens
geeignet. Er lag auch am Weg zum Fresco, wo sie Smith zum Abendessen treffen
sollte.
    Ein wenig ängstlich, von Zeit zu Zeit einen
Blick über die Schulter werfend, marschierte sie die Second Avenue hinauf, da
sie sich an Metzgers Vorschlag erinnerte, ihr gewohntes Verhalten zu variieren.
Wurde sie von jemandem beobachtet? Hatte einer von Richard Hartmanns »Freunden«
beschlossen, ihm aus der Patsche zu helfen?
    Ein bärtiger Mann mit blauer Baseballkappe und
abgetragenem I love NY-Sweatshirt schob einen Einkaufswagen hinter ihr her. Er
trug schmutzige Jeans und neue weiße Reeboks. Die Hände steckten in leuchtend
gelben Gummihandschuhen. Sein Wagen war randvoll mit Plastiktüten voller
Aludosen beladen. Er parkte vor einem Abfallkorb an der 50. Straße und begann,
zwischen den zerknüllten Tüten, Papp- und Styroporbehältern und Pizzakrusten zu
stöbern.
    In rascher Folge klaubte er ein rundes Dutzend
Dosen aus dem Durcheinander, die er seiner Sammlung zufügte, bevor er zu einem
anderen Abfallkorb an der nächsten Ecke weiterzog.
    Auch er war ein New Yorker Unternehmer, der die
Tatsache nutzte, daß die meisten Leute in der Stadt sich nicht die Mühe
machten, das Pfand in Höhe von fünf Cent, das der Staat auf alle mit
Kohlensäure versetzten Getränke in Dosen und Flaschen erhob, zurückzuverlangen.
Ein Fünfer? Ich hör’ nicht recht. Nicht der Mühe wert. Diese Einstellung hatte
ein Gewerbe für die Obdachlosen und Arbeitsunfähigen ins Leben gerufen, die
bestimmte Viertel unter sich aufgeteilt hatten. Sie wußte, daß es irgendwo in
der Stadt eine Einlösungsstelle namens We Can gab, die alle Dosen und Flaschen
sammelte und die Sammler bezahlte.
    Der Broadway Diner hatte um diese Zeit wenig
Gäste, so daß Ort und Zeit ideal waren, um sich zu treffen und nicht gesehen zu
werden. Im Augenblick übertraf das Bedienungspersonal die Anzahl der Gäste. In
der Raucherabteilung las ein älterer Mann eine fremdsprachige Zeitung, auf der
große schwarze kyrillische Buchstaben prangten. Ein überquellender Aschenbecher
voller nicht richtig ausgedrückter Kippen produzierte einen kleinen
Rauchschleier um ihn herum.
    Die einzigen Gäste in der Nichtraucherecke waren
ein Mann und eine Frau wirklich älteren Datums. Sie hatten ein zeitiges
Abendessen aus Hackbraten und Kartoffelbrei vor sich.
    Wetzon bat um einen Tisch möglichst weit hinten
im Restaurant, weg von dem Tafelglasfenster. Sie bestellte Kaffee und wartete.
    »Das habe ich nicht gesagt«, klagte die alte Frau.
Sie war winzig, ein wenig bucklig und hatte eine kleine Adlernase. Mit der
Gabel stocherte sie am Hackbraten herum, probierte ihn aber nicht.
    »Was?« fragte der alte Mann. Sein Haar war grau,
und er trug eine Hornbrille, die für sein Gesicht zu klein war. Er sprach
lauter als nötig.
    »Ich habe gesagt«, erhob die Frau ihre Stimme,
»daß du taub bist.«
    Wetzon lächelte und entspannte sich. Es war
beinahe zwei Jahre her, seit sie Marissa Peiser zum letztenmal gesehen hatte,
und jetzt kam sie mit wehender Mähne hereingeeilt. Das glatte braune Haar der
stellvertretenden Staatsanwältin war noch immer

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