Der letzte Vorhang
an süßen Sachen ab, das weit über die traditionellen Kürbis-und
Apfeltorten hinausging. Da, war das nicht... Doch. Wetzon kreiste es ein und
schnappte die letzten einsamen, von Butter triefenden Schokoplätzchen, die ihre
Herkunft aus der Bäckerei Greenberg verrieten.
»Es ist eine schwere Sünde«, bemerkte Carlos
gerade.
»Diesch ischt eine gröschere Schünde«, sagte
Wetzon, den Mund voll Schokoplätzchen.
»Laß mich mal beißen, bevor du sie ganz
vertilgst, Häschen.«
»Nicht im Traum«, sagte sie und aß den Rest.
»Ich habe es mir zur Grundregel gemacht, Süßigkeiten nie zu teilen.«
»Egoistisches Weibsstück.« Carlos grinste. »Da
hast du es, Mark. Du mußt bei diesen Frauen aufpassen. Sie regieren die Welt.«
Mark lachte. »Hast du meine Mutter
kennengelernt?«
»Es ist wahr«, sagte Wetzon. »Was ist die
schwere Sünde, über die du dich auslassen wolltest?«
»Bonnies Art sich zu kleiden. Sie sieht aus wie
eine Hure aus Hollywood.«
Diesmal war Marks Lachen eine Spur zu laut.
Wetzon sah ihn verstohlen an. Sie hoffte, daß er nicht irgendein weißes Pulver
naschte. Zu Carlos sagte sie: »Warum Hollywood?«
»Nur wegen des Stabreims, Süße.« Er zog einen
Kußmund und spießte ein von einer glasierten Feige gekröntes Eiercremetörtchen
auf.
Mark ließ den Blick schweifen, als suchte er
jemanden. Er wirkte nervös.
»Wie gefällt dir dein erstes Thanksgiving bei Mort
Hornberg, Mark?«
Carlos warf ihr einen boshaften Blick zu und
machte jemand Platz, der die Törtchen genauer betrachten wollte.
»Wetzon, hast du Mom gesehen?«
»Meinst du die Dame mit der dunklen Brille?«
»Er hat sie geschlagen.« Marks Augen wurden feucht.
Wetzon seufzte. »Wer? Hartmann?«
»Ich glaube schon. Sie will es mir nicht sagen.
Du kennst Mom ja. Wenn er sie noch einmal anfaßt, bringe ich ihn um.«
Wetzon zog ihn auf die Seite. »Nein, das wirst
du nicht tun. Ich rede mit ihr. Du fährst zurück nach Boston, und Hartmann
kommt ins Gefängnis. Ich sage vor einer Anklagejury gegen ihn aus, was ihn für
lange Zeit aus dem Verkehr ziehen wird. Mark, du mußt mir versprechen, daß du
keine Dummheiten machst.«
Er blickte auf sie hinab, überdachte ihre Worte,
dann nickte er. »Ich will’s versuchen«, sagte er. »Oh, da ist April.«
»April Battle?«
»Ja. Wir fahren am Sonntag zusammen zurück. Du
kennst sie doch?«
Wetzon stellte sich auf die Zehenspitzen, um zu
sehen, wohin Mark deutete, aber sie sah nichts als ein Durcheinander von
Köpfen. Sie gab es auf.
»Ich würde sie sehr gern kennenlernen.«
»Ich bringe sie her«, sagte Mark.
»Das ist nun ewiger Beweis, was für eine
wunderbar edelmütige Person ich bin.« Carlos bot ihr die Hälfte einer
übergroßen dunklen Schokoladentrüffel an. »Wenn du freilich meinst, daß du das
Angebot ablehnen solltest...«
»Niemals.« Im Bruchteil einer Sekunde befand
sich die halbe Trüffel in ihrem Mund.
»Da ist noch so eine
Schokoladenmoussegeschichte, sehr dunkel und gehaltvoll aussehend...«
»Schokoladenmoussegeschichte? Dunkel und
gehaltvoll? Führ mich hin.«
»Auf der anderen Seite der Kaffeemaschine. Sie
ruft nach uns... hör zu...« Mit verstellter hoher Stimme rief er:
»>Häschen... Carlos...<«
Beide beluden ihre Teller großzügig mit Mousse
und blickten, während sie aßen, auf die Central Park West hinunter. Die Straße
war mit Abfällen von der Parade übersät, die vom scharfen Novemberwind
durcheinandergewirbelt wurden. Inzwischen floß der Verkehr wieder.
»Was ist los, Häschen? Wo ist Silvestri?«
»Bei seiner Mutter.«
Er schaute sie mit gespieltem Entsetzen an. »Und
du hast wegen Morts Party darauf verzichtet?«
»Nein.«
»Oje, oje. Sag nichts. Du warst nicht
eingeladen!«
»Du hast’s begriffen.«
»Oh, Häschen.« Er legte seinen Arm um sie.
»Ich glaube, er hält mich ein bißchen auf
Abstand, weil er mich immer noch wegen Alton Pinkus strafen will.«
»Warum sprichst du dich nicht mit ihm aus?
Reinige die Luft.«
»Anscheinend kann ich meine eigene Passivität
nicht überwinden.«
»Vielleicht möchtest du es bloß nicht.«
»Carlos, mein Lieber, ich glaube, ich habe
irgendeine Krise.«
»Du doch nicht, Häschen.«
»Mach keine Witze. Mir ist es ernst. Anscheinend
lebe ich in einer verrückten rosaroten Trance. Ich sehe das Schlechte in den
Menschen nicht.«
»In wem zum Beispiel nicht? In mir?«
Sie stieß ihn an. »Nein, du nicht. Du bist ein
prächtiges Geschöpf, durch und durch. Ich meine zum
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