Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
Vom Netzwerk:
frühstückten mit Blick auf die Themse. Als wir über die Hungerford Bridge gingen, hielten wir Händchen, der Wind spielte mit ihrem dunklen Haar, und in dem verführerischen Wissen um das, was zwischen uns möglich war, wandte sie mir ihr Gesicht zum unausweichlichen Kuss zu, ich mochte sie sehr, und sie sagte: »Wir haben ein Problem, richtig?« Nachdem ich sie am Embankment in ein Taxi gesetzt hatte, rief ich in der Agentur an und verlangte, dass man sie mir nie wieder schickte.
    Warum also hielt ich mich an Prostituierte, wenn sie so liebenswert waren? Warum nicht das Feld all der weiblichen Neonazis beackern oder das Register der pädophilen Mamas ziehen? Das hat einen tiefergehenden und einen oberflächlichen Grund. Zum tiefergehenden komme ich später noch. Den oberflächlichen Grund sollen Sie sofort erfahren: Kurz gesagt, Nichtprostituierte fordern gegenseitiges Verlangen ein. Ich bin kein hässlicher Mann (auch kein hässlicher Werwolf, wenn ich nach den mopsgesichtigen Zottelviechern urteilen darf, die ich in Harleys WOKOP -Akten gesehen habe), aber noch weit davon entfernt, einfach so mit der Zuneigung einer jeden Frau rechnen zu dürfen. Ich kann mich nicht damit aufhalten, darauf zu warten, bis mich jemand mag. Das kostet zu viel Zeit. Zu viel Mühe. Daher also Professionelle, bei denen es wie bei Therapeuten und Söldnern (und in nettem Widerspruch zu Lennon und McCartney) heißt: All You Need is Cash.
    Madeline mit ihrer weißen Haut, den grünen Augen, den geglätteten blonden Haaren, dem kurzen Oberkörper und den wachsamen Brüsten einer Pop-Mieze ist eingebildet, eitel, materialistisch, gibt billigste Zeitungssprüche von sich und spricht fließend Klischee. Sie war schon überall, hat alles schon gemacht, war bei allem dabei. Sie geht in die Luft. Manchmal erstarrt sie. Sie will den Orgelspieler, nicht das Äffchen. Sie würde dir nicht die Hand reichen, selbst wenn du zu ertrinken drohst. Amis’ abgestandene Neuschöpfungen liegen ihr nur so auf der Zunge. Verabschiedet sie sich am Telefon, sagt sie: »
Baahai
.« Das hat meine Abneigung länger aufrechterhalten als ihre geistigen Defizite, aber auf Dauer geht das nicht gut. Nach einem Monat entdecke ich bereits das verwirrte Kind in ihr, die Mottenlöcher und Luftmaschen im alten Gewebe der Liebe. Da gab es einen liebevollen, aber ständig ausweichenden Vater, eine alternde und heftigst eifersüchtige Mutter. Das ist das Lästige an einem langen Leben, in dem ich schon so viel gesehen habe: Die Biographie scheint durch, all die mildernden Umstände der Vorgeschichte sind zu sehen. Die Menschen sprudeln nur so über vor Informationen, und ich kriege den Kopfschmerz des Interesses. Was aber alles sinnlos ist, denn ganz ehrlich, vor allem sind sie
Futter.
    Madeline wartete auf mich in der Luxus-Dachterrassensuite des Zetter, auch wenn sie ein wenig so aussah, als hätte sie sich gerade nach einem Quickie aufgefrischt – von mir bezahlte Schwarzarbeit, denn ich hatte sie für die ganze Nacht gebucht. »Hi«, sagte sie, hob ihr Glas, stellte den Fernseher stumm, schaltete all ihren katzenhaften Glanz ein. In der Glotze lief
Extreme Cosmetic Surgery
. Eine Frau ließ sich das Fett vom Bauch absaugen und in den Pobacken einsetzen.
    »Fühl mal«, sagte ich und hielt ihr meine eiskalte Hand hin. »Soll ich die irgendwo auflegen?« Madelines gepflegte Hände mit den French Nails waren warm und versprachen bis in die Fingerspitzen hinein geschäftlichen Sex.
    »Nur wenn du Krankenhausessen magst, Schätzchen«, antwortete sie. »Willst du Champagner? Oder irgendwas aus der Minibar?«
    »Noch nicht. Ich wasch mir erst mal die Welt ab. Du schau dir den Rest an. Bestell, was du willst.«
    Ich taute mich in drei Minuten Dusche auf brutale Weise auf und ließ mir von den heißen Wasserstrahlen die letzten Wolfsreste aus den Schultern kneten. Aus Gewohnheit ging ich im Geiste meine Möglichkeiten durch, zählte WOKOP s weiße Flecken auf (Naher Osten, Demokratische Republik Kongo, Sudan, Simbabwe, all die hübschen Flecken der Erde), memorierte Schweizer Bankkonten, mit Zeituhr versehene Verstecke, falsche Pässe, Waffenarsenale, korrupte Spediteure – doch unter alldem sagte mir eine Stimme, die fast wie meine eigene klang: Du hast es so gewollt. Stopp.
So mag er fallen
.
    Nicht, dass ich mich sonderlich lange damit abgeben konnte. Es waren zehn Tage vergangen, seit ich Madeline gevögelt hatte. Nach zehn Tagen ist meine Art kurz vor dem Zusammenbruch.

Weitere Kostenlose Bücher