Der letzte Werwolf
Arschloch nennen.«
Cloquet lächelte und griff wieder nach dem Koks. Ich nahm es ihm weg und steckte es ein. »Genug davon«, erklärte ich. »
Quid pro quo
, verstanden? Sie kriegen das Zeug erst zurück, wenn Sie mir sagen, was ich wissen will.«
Etwas in ihm starb sichtlich ab. Er lag zwar immer noch mehr oder weniger auf der Seite, wenn auch ein wenig an einen Baum gelehnt, doch er sackte zusammen. Die hellen, geschminkten Augen verrieten, dass er schon lange nicht mehr geschlafen hatte. »
Quid pro quo
, Clarice«, antwortete er in einer Hopkins/Lecter-Imitation, die erstaunlich akkurat war.
»Genau. Also. Warum wollen Sie mich tot sehen?«
»Weil sie Sie lebend haben will.«
»Jacqueline?«
»Haben Sie schon mit ihr geschlafen?«
Keine Ahnung warum, aber ich log. »Nein«, antwortete ich.
»Ihre Fotze hat einen eigenen Verstand. Sie kennt dich. Alles an dir. Wie Luzifer. Gott ist allwissend, aber er kann das nützliche Wissen nicht herausfiltern. Verstehen Sie? Er kann nicht unterscheiden. Dazu braucht es den Teufel oder ihre Fotze.«
»Und warum will sie mich lebend?«
»Für die Vampire.«
»Was?«
»Sie haben ja keine Ahnung. Ich kann nicht fassen, dass Sie so lange am Leben geblieben sind. Ich rede nicht mit Ihnen. Sie sind mir zu klein.«
Ich erhob mich von meinen Knien und schlich zum Fahrweg zurück, wo ich den Speer liegen gelassen hatte. »Ich kann ihn auf verschiedene Weise benutzen«, sagte ich, als ich zurückkam. »Sie werden nicht daran sterben, aber es wird weh tun. Sie mögen doch Ihr rechtes Auge, richtig? Immerhin haben Sie sich die Mühe gemacht, sich dort zu schminken.« Ich richtete die Speerspitze auf den fraglichen Gegenstand.
Zu meiner Überraschung schossen ihm Tränen aus den Augen und kullerten ihm die Wangen hinunter. Er ignorierte die Silberspitze (es war, als würde er sie tatsächlich überhaupt nicht wahrnehmen), hob die Hände und bedeckte sich vorsichtig die Augen. »O Gott«, sagte er leise. »Sie wissen ja nicht, wie es mit ihr ist.«
»Um Himmels willen«, fuhr ich ihn an. »Ich hab schon kapiert, sie hat ’ne tolle Muschi. Verraten Sie mir, was ich wissen will, und sie können da raufgehen und es noch mal bei ihr versuchen. Was ist nun mit diesen Vampiren?«
Cloquet ließ die Hände sinken, schniefte, lachte wie über eine Ironie, die nur für ihn erkennbar war. Mit der nun verschmierten Mascara sah er aus wie Alice Cooper. »Ich hielt mich für groß«, erklärte er. »Bis ich sie kennenlernte. Kleine Sünden, auf die man so stolz ist. Unwichtig. Krumen auf ihrem Tisch. Es gibt kein Zurück.«
»Ich kann nicht glauben, dass Sie mich zwingen wollen, Ihnen richtigen Schaden zuzufügen«, sagte ich und hob den Speer. »Aber wenn das die einzige –«
»Projekt Helios«, entfuhr es ihm. »Sie wissen darüber Bescheid?«
»Nun, ich weiß, worum es dabei geht«, antwortete ich. Das Ganze war kein Geheimnis: Projekt Helios nennt sich der fortdauernde Versuch der Vampire, sich gegen die zerstörerische Wirkung von Sonnenlicht zu immunisieren. Auf die eine oder andere Weise arbeiten sie schon seit Moses’ Zeiten daran.
»Nun, ich weiß, worum es dabei geht«, äffte mich Cloquet in höhnischem Falsett nach. »Wissen Sie,
loup-garou
, dass es bereits drei bekannte Fälle von Sonnenlichttoleranz gibt?«
»Nein.«
»Nein. Natürlich nicht. Bislang hielt das nie länger als zweiundsiebzig Stunden an, aber Sie können sich ja deren Aufregung denken. Und wissen Sie, was alle drei Fälle gemeinsam haben?«
»Was?«
»Werwolfangriffe. Die Vampire, die deutlich verbesserte Widerstandskräfte gegen Tageslicht aufwiesen, waren alle von Werwölfen gebissen worden.«
Ich seufzte. Ich hatte wahrscheinlich seit dreißig Jahren nicht mehr geseufzt, doch in diesem Augenblick schien mir das passend zu sein. »Siehst du, Jake?«, sagte das Leben. »Siehst du, wie die Dinge langsam Formen annehmen, wenn du nur lang genug dabeibleibst?« Punkte wurden erkennbar; ich wusste voll müder Gewissheit, dass sie sich in den nächsten Augenblicken zu einer Art Bastardbild zusammenfügen würden. Dennoch geht man zum Schein darauf ein.
»Das ergibt keinen Sinn«, meinte ich. »In all den Jahren hat es jede Menge Bisse gegeben. Wir sind wie Hund und Katz.«
»Ja, Inspektor Clouseau, aber was geschah vor ein paar hundert Jahren? Die Werwölfe hörten auf, sich zu vermehren. Die Opfer überlebten den Biss nicht mehr. Ein Virus, meint WOKOP . Wer weiß? Was immer es ist, es löst bei
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