Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Wille: Thriller (German Edition)

Der letzte Wille: Thriller (German Edition)

Titel: Der letzte Wille: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Mina
Vom Netzwerk:
seitlich an den Rand, damit sie überholen konnten. Ihre aggressiven Gesten erwiderte er mit beschwichtigend erhobener Hand und der Ermahnung: »Reg dich ab, Alter.«
    Sie bogen um eine besonders scharfe Kurve und plötzlich lagen die sanften Hügel Ayrshires vor ihnen, bedeckt von saftig grünem Gras. Wohlgenährte Kühe sprenkelten die Hügel in der Ferne. Die Straße wurde zweispurig und so konnten sie unbehelligt auf der langsamen Spur bleiben, während die gereizten Einheimischen vorbeirasten, ihnen wahlweise einen einzelnen Finger entgegenstreckten oder gestisch die Vermutung äußerten, sie hätten eine Schraube locker. Merki lächelte unbeeindruckt und winkte zurück.
    Was den Artikel über Terry betraf, so rückte Merki mit nichts heraus. Sie fragte ihn, wie er von Eriskay House erfahren habe, und er erwiderte, die Sekretärin habe ihm davon erzählt, ebenso wie von der Mappe und Wendy Hewitt, aber sie wusste, dass er nicht die Wahrheit sagte, dafür war er viel zu sehr Profi. Wahrscheinlich hatte Fitzpatrick es ihm erzählt. Vielleicht war es ja ein großes, elegantes Haus, meinte er, um ihretwillen hoffnungsfroh. Klang ja fast so, oder? »Eriskay House« hatte etwas Hochherrschaftliches.
    Einen Augenblick lang stellte sie sich vor, es sei ein säulengeschmücktes Landgut, doch die einzigen Häuser dieser Art, die sie sich auszumalen vermochte, waren die aus Vom Winde verweht und eine weiße Plantagenvilla schien ihr selbst im reichen, ländlichen Ayrshire unwahrscheinlich. Doch egal, was es war, sie wollte sich an den Gedanken, ein eigenes Haus zu besitzen, nicht zu sehr gewöhnen. Eigentlich hatte sie keinen Anspruch auf das Haus der Familie, wenn noch ein Familienmitglied lebte. Terry hätte es seiner Cousine hinterlassen müssen. Die Mappe war genug. Ihre Hand stahl sich zu ihrer Tasche und strich über den Rand. Terry hatte sie besser gekannt als die allermeisten. Er hatte sie schon gekannt, als sie noch nicht lügen gelernt und einen Schutzwall um sich herum errichtet hatte.
    Die beiden Spuren verengten sich erneut zu einer einzigen und die Straße schlängelte sich nun gefährlich zwischen zwei Hügeln hindurch.
    Plötzlich rief Merki »Da!«, riss abrupt das Lenkrad nach links und bog von der Landstraße in eine Schotterstraße ein, die an den Seiten von hüfthohem Gras und Büschen überwuchert wurde. Nach einigen Metern kamen sie an eine kleine Schneise und hielten. Merki schaltete den Motor aus. Das Gras sei zu dicht, um weiterzufahren, behauptete er; sie wollten schließlich nicht stecken bleiben.
    Scarlett O’Hara hätte nicht mal von einem Sklaven verlangt, hier zu leben. Das Haus war ein kleines Highland Cottage, einstöckig mit tiefen, kleinen Fenstern und einer niedrigen Eingangstür unter einem schweren Türsturz. Gestrüpp und Gras waren an den Wänden so hoch gewachsen, dass es aussah, als wollten sie das Gebäude stützen. Das Dach war auf einer Seite eingefallen und vorne hing eine Regenrinne herunter. Vor allem aber fiel der riesengroße Riss ins Auge, der sich von der Ecke der Haustür bis zum Dach hinzog, als könnte das Gebäude jeden Moment wie ein Osterei zerbrechen.
    Sie stiegen aus. Paddy blieb angesichts des Zustands des Hauses fassungslos am Wagen stehen, während Merki vorsichtig durch das lange Gras stapfte und durch die Fenster sah.
    »Da steht ein Klavier drin«, sagte er und drehte sich zu ihr um. »Komm und sieh es dir an.«
    Sie wünschte, sie wäre nicht mitgekommen. Es war zu deprimierend. Das Haus der Familie war völlig verfallen, weil sich zehn Jahre lang niemand darum gekümmert hatte. Dabei musste es früher wunderhübsch gewesen sein und so weit außerhalb lag es gar nicht. Terry hatte immer einen Wagen besessen, er hätte ebenso gut auch hier wohnen können. Es ergab keinen Sinn, dass er schmutzige, möblierte Zimmer vorgezogen hatte, obwohl ihm keine fünfzehn Minuten entfernt dieses Haus gehörte.
    »Komm und sieh’s dir an.«
    Merki wollte wissen, wie sie reagierte. Als sie durch die Fensterscheibe spähte, beobachtete er sie so genau, dass sie sich fragte, ob er wohl vorhatte, darüber zu schreiben. » Verzieh dich«, sagte sie, woraufhin er sich diskret abwandte, so als stünden sie nebeneinander an der Pissrinne im Männerklo.

    Das Fensterbrett war mindestens fünfzehn Zentimeter breit. Sie wischte die dicke Staubschicht von der Scheibe und sah hinein. Die Fensterläden waren offen und das Zimmer war niedrig und klein. Ein Klavier stand leicht schief

Weitere Kostenlose Bücher