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Der letzte Wille: Thriller (German Edition)

Der letzte Wille: Thriller (German Edition)

Titel: Der letzte Wille: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Mina
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beschleunigen.
    Er parkte vorsichtig auf der Straße, scherte rückwärts in eine Lücke zwischen zwei Wagen, stieß vorsichtig vorne und hinten an, bis er jeweils im gleichen Abstand zwischen beiden parkte. Regel Nummer eins für einen Überraschungsangriff: niemals Aufmerksamkeit erregen.
    Er öffnete die Wagentür und warf seinen Zigarettenstummel auf die Straße, trat darauf, zermalmte die rote Glut mit der Schuhspitze auf dem Asphalt. Ein Doppeldecker-Nachtbus segelte an ihm vorbei, raste den Abhang hinunter. Im kalten weißen Licht wirkte das bleiche Gesicht des einzigen Passagiers blutleer und kränklich, er starrte mit leerem Blick in die Dunkelheit und sah in der Scheibe nichts außer seinem eigenen Spiegelbild.
    McBree hasste Glasgow. Er hasste die dicken Frauen mit ihrem schnarrenden Dialekt, dem aggressiven Unterton, den die Männer in den Bars draufhatten, die geschwätzigen Ladenbetreiber, die einem ständig persönliche Fragen stellten. New York war anders. In New York erzählte jeder von sich selbst, die Frauen sahen gut aus, die Akzente waren exotisch und charmant. Er lächelte bei dem Gedanken an New York, erinnerte sich an warme Abende und den Geruch von Autoabgasen, der sich mit dem der Straßenimbisse mischte, und daran, dass man in den Bars trinken konnte, ohne dass einen alle mit Politik vollquatschten.
    In New York hatte er seinen Kleidungsstil verändert. Val hatte ihn darum gebeten, als er wieder nach Hause zurückgekehrt war, denn sie war der Ansicht, er sehe billig aus in seinen bedruckten Hemden und den Mokassins. Sie hasste Veränderungen. Wenn es nach ihr ginge, würden sie die Kinder nehmen und ins Gemeindehaus zu den knorrigen alten Priestern ziehen, aber Martin hatte ein anderes Leben da draußen gesehen, eines, das nicht von Kirche oder Kampf bestimmt war und in dem er ganz er selbst sein konnte.
    Er lächelte, als er auf den Bürgersteig trat. New York. Damals hatte alles freundlicher ausgesehen, dabei war es noch gar nicht so lange her. Über die Kuppe der Anhöhe kam ein alter Mann in Sherlock-Holmes-Mütze und Mantel, der mitten in der Nacht einen ältlichen King-Charles-Spaniel Gassi führte. Entweder war der Hund inkontinent oder der Mann litt an Schlaflosigkeit. Martin schob die Hände in die Taschen, hielt den Kopf gesenkt, tat, als suche er seine Hausschlüssel, als er an dem alten Mann vorbeiging.
    »Komm«, raunte der alte Mann seinem vierbeinigen Schützling fürsorglich zu. Er blickte kurz zu McBree auf, hätte gerne mit der einzigen anderen Menschenseele, die um die Uhrzeit auf der Straße war, ein Gespräch begonnen, doch McBree hielt weiterhin den Kopf gesenkt, runzelte die Stirn und gab sich einen beschäftigten Anschein, ein Mann auf dem Weg nach Hause. Er ging auf den Eingang des Wohnhauses zu.
    Wie er es gelernt hatte, blickte er auf die Straße vor sich, sah sich nicht um. Menschen, die dort sind, wo sie hingehören, verrenkten nicht die Köpfe wie verirrte Touristen. In vertrauter Umgebung sieht sich niemand um. Die Menschen gehen blindlings, gedankenverloren; die meisten verziehen sogar mürrisch das Gesicht.
    Der Straßenbelag war am Beginn der Siedlung ein anderer, der geflickte Asphalt der alten Hauptstraße wurde von gelben Pflastersteinen abgelöst, die im Hahnentrittmuster passend zu den Gehwegen ausgelegt und durch orangefarbene Bordsteine getrennt waren. Es war eine neue Siedlung. Die Steine hatten noch keine Zeit gehabt, sich in den Boden zu senken und Unregelmäßigkeiten zu bilden, keine Ecken standen heraus, an denen ein Zeh hätte hängen bleiben können, und es gab auch keine wackligen Platten, unter denen sich Pfützen verbargen, deren Wasser einem ans Schienbein spritzte. Alles war tadellos.
    Zur Orientierung gestattete er sich hochzusehen. Die kurzen Straßen waren recht übersichtlich angeordnet, aber es bestand immer die Gefahr, einem Gehweg bis zur falschen Ecke zu folgen, zumal alles gleich aussah. Die Häuser waren klein und gleichmäßig, durchaus teuer, weil sie sich in einer vornehmen Wohngegend befanden, aber dennoch nichts Besonderes. Die Wagen, die in den Einfahrten parkten, verrieten, wie viel jeder wirklich verdiente: Große ausländische Wagen, ein Sportwagen, sie alle standen neben frisch angelegten Rasenflächen, die ihren ersten Sommer erlebten. Das kommende Jahr würde verraten, welche Besitzer sich fürsorglich gezeigt hatten. Dann würden die Rasenflächen nicht mehr überall gleich aussehen; einige würden gedeihen, andere

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