Der letzte Wille: Thriller (German Edition)
aus der Wunde, sie keuchte und winselte gleichzeitig.
Der im Bett schnarchende Mann setzte sich abrupt auf, warf die Daunendecke von sich und sprang auf die Beine, er taumelte zur Seite, wandte sich in die falsche Richtung. Er war eins siebenundachtzig, vielleicht sogar eins neunzig und sehr breit, sehr viel größer als McBree.
McBrees kampferprobter Verstand ließ ihm zwei Möglichkeiten: alle umbringen und einen Einbruch vortäuschen oder abhauen.
Der Mann torkelte rückwärts, als die Frau den Kopf in den Nacken warf und einen ohrenbetäubend schrillen Schrei ausstieß.
McBree stürzte die Treppe hinunter, riss die Tür auf und verschwand.
29
Ganz nach Terrys Geschmack
I
Es kam ihr vor wie der erste Schultag. Alle trugen schwarz, wirkten ordentlich und frisch gewaschen. Männer, die sie seit Jahren nicht mehr so sauber gesehen hatte, standen förmlich gekleidet und mit feucht gekämmten Haaren in Grüppchen plaudernd auf dem Vorplatz der Kathedrale herum.
Da waren Merki und Keck sowie Bunty und sein Schoßäffchen. Alle vom Standard waren da, dabei hatte keiner von ihnen Terry mehr als nur vom Sehen gekannt. McGrade war da, der Geschäftsführer der Press Bar, außerdem sein kleiner bärtiger Kumpan, was bedeutete, dass die Bar erstmals seit Menschengedenken geschlossen sein musste. Sean stand bei den Fahrern, zwinkerte ihr zu und wandte sich ab.
McVie hatte jeden aus der Branche angerufen und sie waren alle gekommen, weil es um mehr ging als nur um Terry Hewitt: Sie feierten sich selbst. Terry hätte das sehr gefallen.
Paddys Augen brannten. Sie legte den Kopf in den Nacken, damit ihre Wimperntusche nicht noch mehr verschmierte, sah hoch zu den gotischen Turmspitzen der Kathedrale und dem grünen Friedhofshügel mit seinen von Efeu überwucherten viktorianischen Grabdenkmälern dahinter. Wenn sie an Pete dachte, verspürte sie etwas, das sich wie Entzugserscheinungen anfühlte, ein krampfartiges Gefühl im Magen, weil sie vor der Schule nicht mehr mit ihm gesprochen hatte, nicht wusste, was er gegessen und ob er überhaupt geschlafen hatte. Nach der Zeremonie würde sie Burns anrufen und fragen, was er gegessen hatte. Wenigstens wusste Sandra, wie man Brot toastet.
Die Kathedrale von Glasgow ging größtenteils auf das späte dreizehnte Jahrhundert zurück. Während der Reformation hatte sich eine Gruppe von Händlern aus der Stadt bewaffnet, einen Mob von Plünderern in einer erbitterten Schlacht in die Flucht geschlagen und die Kathedrale damit vor der sicheren Zerstörung bewahrt. Das gedrungene Gebäude war seit der industriellen Revolution rußgeschwärzt und thronte wie eine fette Kröte in einem Trauerschleier oben an der Highstreet.
McVie wirkte wie ein Oberkellner, als er die Trauergäste begrüßte und sich durch die Menge arbeitete, wobei er sicher war, dass er in den Berichten der Mail on Sunday erwähnt werden würde. Er sah Paddy mit Dub auf sich zukommen, unterzog ihre Aufmachung einer kurzen Prüfung und befand, dass sie elegant gekleidet war.
»Du fängst an«, sagte er. »Gibst den Ton vor.«
»Aber ich habe nichts vorbereitet.«
Er sah die Panik in ihrem Blick. »Dann mach was aus dem Stegreif. Seit wann hast du Probleme, frei zu sprechen? Hast du Merkis Exklusivbericht schon gesehen?«
»Wo hat er den denn her?«
Die Frage war rhetorisch, aber McVie wirkte gereizt. »Woher zum Teufel soll ich das wissen?« Er wandte sich ab, um sich mit anderen zu unterhalten.
Eine Hand landete schwer auf Paddys Schulter und sie drehte sich zu Billy um, ihrem ersten Fahrer überhaupt, der nun breit grinsend hinter ihr stand. Billy hatte es in den Jahren seither zu bescheidenem Wohlstand gebracht. Nach einem Brandanschlag auf ihren Wagen hatte er bei der News aufgehört und sich von der Abfindung einen Imbisswagen gekauft, um weiterhin nachts arbeiten zu können. Seine Hände waren entsetzlich vernarbt; nachdem er die transplantierte Haut wieder abgestoßen hatte, musste ihm der kleine Finger einer Hand abgenommen werden. Damals hatte er eine lange Mähne gehabt, aber jetzt waren seine Haare kurz rasiert, wie bei Terry, als sie ihn kennengelernt hatte. Seine Frau Agnes stand an seiner Seite, kalt wie ein Kühlschrank. Sie sah weg, als sie sich mit Küsschen und Schulterklopfen begrüßten.
»Und ist das der Mann deines Herzens?«, fragte Billy mit Blick auf Dub.
»Ach nein, das ist Dub McKenzie. Erinnerst du dich nicht mehr an Dub?«
Billy sagte: »Leider nein«, weshalb sie ihm erzählte,
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