Der letzte Wille: Thriller (German Edition)
miteinander reden können, irgendwann weit in der Zukunft und dann könnte er ihr erzählen, was im Gefängnis mit ihm geschehen war.
Sie erinnerte sich nicht mehr genau, wo die Abzweigung zum Haus war, und fuhr langsamer, als die vertrauten Hügel in Sichtweite kamen, was den Fahrer eines kleinen Wagens hinter ihr auf der Straße in Rage brachte. Der Fahrer hupte, damit sie sich beeilte, und Callum drehte sich um. Er sagte, es sei ein sehr alter Mann, der kaum übers Lenkrad sehen konnte, und Dub und er lachten sie aus, weil sie übervorsichtig war.
Ein Stückchen weiter entdeckte sie die Abzweigung, blinkte umsichtig und bog ab, der ungeduldige Rentner hupte ihr ein »Tschüss-lahme-Ente« hinterher, worüber sie alle lachen mussten. Als seine Scheinwerfer verschwunden waren, sahen sie nur noch das, was ihre eigenen Scheinwerfer beleuchteten. Das Gras in der Einfahrt war noch von Merkis Wagen plattgewalzt, wirkte aber in der Dunkelheit höher und undurchdringlicher als noch am Nachmittag.
Sie fuhr, so schnell sie sich traute, merkte beim Aussteigen aber, dass sie viel weiter gefahren war als Merki. Im kalten Mondlicht wirkte das Cottage noch verlorener und baufälliger. Fast konnten sie schon von draußen die Feuchtigkeit riechen.
Dub und Callum waren wenig begeistert gewesen, aber sie hatte an einer Tankstelle haltgemacht, Brot und Butter, sowie ein paar Dosen Limo, Feueranzünder und rauchfreie Kohle gekauft und ihnen ein Feuer versprochen. Zu Hause hatte sie die Idee gehabt, den alten Grill als Kaminrost zu verwenden, aber das kam ihr jetzt bescheuert vor.
Sie trug das ganze Zeug nach hinten und Dub versuchte die Küchentür zu öffnen. Sie war abgeschlossen, weshalb er mit einem Taschenmesser um das Schlüsselloch herumstocherte und das Holz bröselte mühelos herunter. Indem er drumherum schnitzte, gelang es ihm, das Schloss freizulegen und es aus der Halterung zu reißen. Er zog die Tür auf.
Süßlich saurer Modergeruch hing in der Luft und aufgeregtes Trappeln begleitete eine fliehende Mäusekolonie ins andere Zimmer. Callum schien es nicht zu stören, aber Dub betrachtete angewidert den gewellten Linoleumboden und die Mäuseköttel auf der Arbeitsfläche. Zu Hause war er ziemlich pingelig, benutzte das Badezimmer nur, wenn es geputzt war, und warf ständig Lebensmittel aus dem Kühlschrank weg, die das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten hatten.
In dem Raum befand sich keinerlei persönliche Habe, ansonsten aber wirkte er, als wäre er gerade erst verlassen worden. Der graue Staub von zehn Jahren lag auf dem schmiedeeisernen viktorianischen Herd in der Kaminecke, die Ofentüren waren alle fest verschlossen, die Kochplatten allesamt mit Deckeln versehen. Das schwarze Ofenrohr dahinter war abgebrochen und hing nun schräg am Schornstein. Die Kieferkommode hatte sie schon am Nachmittag durchs Fenster gesehen, nicht aber, dass die Feuchtigkeit die Schrankbeine hatte aufquellen und vergammeln lassen. Ein Resopaltisch stand an einer Wand, ein dazu passender Stuhl jeweils auf einer Seite mit der Lehne an der Wand. Die Spüle unter dem Fenster war einfach, eine weiße Keramikschüssel, dazu ein Regalbrett auf der rechten Seite zum Abtropfen. Die vorangegangene Familiengeneration hatte offenbar sämtliche Ersparnisse in das Cottage gesteckt, und dies waren nun die kläglichen, von der Natur überwucherten Reste.
Dub stand steif in der Tür, seine Augen sprangen durch den Raum, er wollte sich über tausend Dinge beschweren, sagte aber nichts. Callum bat um Erlaubnis, sich im Wohnzimmer umsehen zu dürfen, was beide seltsam fanden, aber keiner von beiden sagte es.
»Sicher«, erwiderte Dub und Callum trat durch die Tür, bewegte sich vorsichtig über den unebenen Boden. Er rief ihnen zu, dass es dort drüben dunkler sei, die Mäuse versteckten sich hinter der Fußleiste. Dub schauderte.
Sie stellte den Grill auf dem Herd ab, legte vier Anzündersteinchen hinein, schüttete Kohle darüber und hielt ein Feuerzeug an das fettig Weiße, das zwischen den Kohlen hervorlugte. Orangefarbenes Licht erfüllte den Raum, beleuchtete all seine Unzulänglichkeiten und Dub machte ein erschrockenes Gesicht.
Paddy lächelte ihn an. »Wenn du nicht damit klarkommst, schlafen wir im Wagen.«
»Nö, ist schon okay. Mir geht’s gut.«
Wieder wollte sie ihn berühren. Callum war im anderen Raum, deshalb rutschte sie an ihn heran. »Wir haben nur zwei Schlafsäcke. Wir müssen uns einen teilen. Ist das in Ordnung?«
Er
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