Der letzte Wille: Thriller (German Edition)
Hotel?«
»Nein.« Dub klang sehr überzeugt. »Die Zeitungen haben überall das Empfangspersonal geschmiert, damit sie Tipps bekommen, wenn jemand Interessantes bei ihnen absteigt.«
Er hatte recht.
»Und zu einem meiner Künstler können wir auch nicht, weil das publicitygeile Wichser sind, die es sofort ausposaunen würden.«
»›Ausposaunen‹«, äffte Paddy ihn nach und sie und Callum lachten wieder, weniger weil es so lustig war, sondern weil ihnen das Lachen beim ersten Mal so viel Spaß gemacht hatte.
»Okay.« Sie ließ den Motor an. »Wir fahren zu mir, holen ein paar Sachen und fahren dann woandershin, ich weiß schon wo. Wir holen die Schlafsäcke, es sei denn, es stellt sich heraus, dass doch jemand reingekackt hat.«
Sie fuhren über die Kingston Bridge, ein hoher Betonbogen, der über den Fluss führte. Die Stadt lag ausgebreitet unter ihnen, hell erleuchtet und aufregend. Callum saß ehrfürchtig mit dem Gesicht an der Scheibe da und bestaunte die Lichter.
Ein hoch stehender weißer Mond hing über der Stadt und Paddy hatte das Gefühl, als würde sie ihrem Verderben entgegenschlittern und nur kurz innehalten, um die Rutschpartie übers Eis anschließend richtig zu genießen.
II
Sie machte kein Licht im Flur, legte die hölzernen Trümmerteile der Wohnungstür auf den Boden und ging in die dunkle Küche, um Sean anzurufen. Der Anrufbeantworter sprang an, und sie hinterließ die Nachricht, dass sie das fragliche Paket gemeinsam mit Dub vor dem Frittenladen gefunden hatte und vorläufig behalten würde. Bis morgen in der Kirche.
Sie schlich sich in Petes Zimmer. Er würde saubere Hemden für die Schule brauchen, frische Unterwäsche; bei seinem Dad hatte er nicht so viel. Er blieb normalerweise nie länger als eine Nacht dort.
Mit dem sauber gefalteten Kleiderstapel in den Händen sah sie sich in Petes Zimmer um. Dub machte jeden Morgen Petes Bett, schüttelte die Kissen auf und legte die Daunendecke glatt über das Bett, sodass sie wie ein Marshmallow aussah. Das Bett war immer noch gemacht; das Mobile mit den Walen, das von der Decke hing, drehte sich langsam in der aufgewirbelten Luft; Petes Spielsachen waren alle ordentlich aufgeräumt. Hier drinnen war nichts verändert worden, der Rowdy im Trainingsanzug war nicht hier gewesen. Offenbar war er davor zurückgeschreckt, das Zimmer eines Kindes zu verwüsten. Das machte ihr Hoffnung. Sie ging in ihr eigenes Zimmer und ihr Blick fiel auf den Fleck auf der Matratze. Sie roch den beißenden Pissegestank und erinnerte sich, dass der Kerl vor Petes Schule gestanden hatte. Nein, er kannte keine Grenzen.
Noch immer aufgewühlt bei dem Gedanken, suchte sie für sich und Dub schwarze Kleidung heraus, zog zwei fest zusammengerollte Schlafsäcke oben aus dem Kleiderschrank und erinnerte sich, wie sie diese mit Pete im Pfadfinderladen gekauft hatte, als er und BC beschlossen hatten, anlässlich von BCs Geburtstag bei Trisha im Garten zu zelten. Nach einer Stunde waren die beiden wieder hereingekommen, weil ihnen kalt war.
Sie zog Dubs Beerdigungsmantel aus dem Schrank. Ihr eigener Mantel war noch in der Plastikfolie, in der er aus der Reinigung gekommen war, und sie legte ihn sich über den Arm, um ihn am folgenden Tag bei Terrys Trauerfeier tragen zu können. Aus der Kommode im Flur nahm sie eine Taschenlampe und die runde Metallschale eines alten Grills aus billigem Blech.
Vollbeladen stand sie schließlich im Flur und sah noch einmal auf die Platten, die über den Boden verstreut lagen, auf Terrys umgestürzte silberne Truhe und die Unordnung, die der Eindringling in ihrer perfekten, kleinen Wohnung angerichtet hatte, und sie spürte, wie wütend derjenige gewesen sein musste, der das getan hatte – wütend und verängstigt.
III
Die Straße war jetzt weniger stark befahren als tagsüber, trotzdem rasten noch einige Fahrer um die Kurven, als gelte es eine Wette zu gewinnen. Auf den geraden Strecken tauchten stecknadelgroße Lichter weit hinter ihnen auf der dunklen Straße auf, ließen nur wenige Augenblicke später die gesamte Heckscheibe auflodern, blendeten sie, bis sie zur Seite auswich und die Wagen vorbeifahren ließ.
Dub stellte einen Popsender im Radio ein und Callum wirkte wie in Trance, sah aus dem Fenster auf die mondbeschienene Landschaft, ohne sie wahrzunehmen, er starrte den ganzen Song über hinaus. Ihr fiel auf, dass er nur etwas sagte, wenn er angesprochen wurde, und er tat ihr leid. Eines Tages würden sie vielleicht
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