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Der letzte Wille: Thriller (German Edition)

Der letzte Wille: Thriller (German Edition)

Titel: Der letzte Wille: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Mina
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dafür zu rächen, dass er unter dem Eisernen Vorhang hindurchgeschlüpft war und dem Feind geheime Informationen über britische Gefängnisse, in denen Spione untergebracht waren, verkauft hatte. Doch es gab keine Belege für eine Verschwörung in größerem Stil, und sie verstand genug von ihrem Fach, um es in ihrem Buch bei Anspielungen zu belassen. Etwas an Greenock erinnerte sie an Meehan, aber sie kam nicht drauf, was es war. Irgendwie musste sie wegen der Meeresluft an ihn denken, wegen der schreienden Möwen, dem Zigarettenrauch im Wagen bei geschlossenen Fenstern. Sie sah seine gerötete Haut vor sich, das gelbliche Weiß in seinen Augen und seine abwehrenden runden Schultern. Sie war nie mit Meehan an der Küste gewesen; ihre Interviews hatten sie allesamt im Pub geführt und einmal auch in einem Restaurant, trotzdem erinnerte sie irgendetwas an dieser Gegend an ihn. Sie sah landeinwärts und entdeckte es: Es war das Schild, das nach Stranraer wies.
    Sie setzte sich auf. Stranraer.
    Meehan hatte kein Alibi für die Nacht gehabt, in der Rachel Ross ermordet worden war. Er hatte am Innenausbau des Finanzamtsgebäudes von Stranraer gearbeitet, dem Ort, von dem die Fähren nach Irland ablegten. Jeder IRA-Mann in Schottland kannte diese Straße mit den vielen Abzweigungen bestens und wusste, wo Verkehr herrschte und wo es ruhig war. Genau hier würde man eine Leiche ablegen.
    Die Möglichkeit erstaunte sie. Die Unruhen in Nordirland hatten so viele Menschen hierher ins Exil verschlagen, hauptsächlich Loyalisten, aber unter den Iren in Schottland gab es auch einige IRA-Sympathisanten. Gerüchten zufolge wurden Wafen über Glasgow verschifft. Wenn Terry wirklich von der IRA getötet worden war, dann hatte sich der Konflikt bis hierher ausgebreitet, Schottland wäre nicht mehr neutral und es würde ein Blutbad geben. Und wenn überhaupt ein Journalist von dieser Entwicklung Wind bekommen hatte, dann Terry Hewitt.

    Ein schmales Bett Anfang der Achtzigerjahre, schmutzige orangefarbene Bettwäsche und ein Blutfleck in ihrer Unterhose, Terrys ungeübte Hände wanderten über ihren Körper, ihre enge Öffnung, sie atmete schwer, wartete, bis es vorbei war.
    Als er nach Südamerika abreiste, half sie ihm seine Taschen zum Zug nach London zu bringen, lächelte und winkte vom Bahnsteig aus, weinte die gesamte Fahrt über im Bus nach Hause. Er ließ sie zurück, damit sie sich um ihre Mutter und ihren Vater kümmerte, sich langsam bei der Daily News hocharbeitete, die Nachtschicht im Reporterwagen übernahm, dann die Frauen- oder Kummerkastenseite, und sich gleichzeitig mit ihrem Buch über Patrick Meehan abquälte. Wenn sie in der feuchten Garage ihrer Eltern saß und so tat, als würde sie arbeiten, las sie heimlich Terrys Artikel über Angola und Mittelamerika. Sie sah ihn vor sich, wie er durch den Dschungel robbte, in tropischen Hotels unter langsam rotierenden Ventilatoren schwitzte und afrikanischen Diktatoren begegnete. Als Shadow of Death endlich erschien, brachte sie Terrys Adresse über seine Nachrichtenagentur in Erfahrung und schickte ihm eine Einladung zur Buchpräsentation. Er reagierte nicht.
    In ihrer Erinnerung war er schlank, braun gebrannt und groß gewesen, der Inbegriff eines ehrenwerten Wahrheitssuchenden – bis er zurückkam.
    Sie kurbelte das Fenster herunter und warf den abgebrannten Zigarettenstummel auf den Asphalt, nicht unbedingt in der Absicht, die tyrannische Möwe zu ärgern, trotzdem beobachtete sie schadenfroh, wie diese den öligen Stummel aufpickte und gleich wieder fallen ließ.
    »Blödes Mistvieh.« Sie zündete sich eine weitere Zigarette an und beobachtete die Möwe, die bestimmt schon ihren nächsten Schachzug ausheckte. »Fettes, gieriges Mistvieh. Blöder Pissvogel.«
    Die Dose mit dem Softdrink war immer noch kalt.
    Als er wiederkam, trank Terry kein Irn-Bru mehr. Er meinte, er habe es im Ausland nicht bekommen und den Geschmack daran verloren. Cola sei ihm jetzt lieber. Und er lachte, als sie ihn zu einem Tunnock’s Tea Cake in der Kantine einlud.
    »Die hatte ich aber größer in Erinnerung«, meinte er spitz.
    Das war unnötig. Gemein von ihm. Sie verstand nicht, was daran witzig sein sollte. Sie hätte sich auf keinen Fall noch einmal mit ihm einlassen sollen.
    Sie nickte der Möwe zu. »Ich hätte nicht mit nach Fort William fahren sollen«, erklärte sie ihr. Zwinkernd erwiderte der fette Vogel ihren Blick.

4
Die Daily News

I
    Es war fünf Uhr morgens, aber Paddy

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