Der letzte Wille: Thriller (German Edition)
noch gelaufen war. Ihr war egal, ob noch andere Journalisten da waren, sich versteckten und auf Callum warteten. Überhaupt war ihr Callum egal und auch, ob Bunty herausbekam, dass sie sich hier am Gefängnistor herumtrieb und vorhatte, ohne Geschichte zurückzukommen. Sie wollte einfach nur ihre Pflicht als diejenige tun, die Sean als Einzige in dieser Angelegenheit unterstützen konnte.
Sie klappte ihren Kragen hoch. An der Küste war es immer kälter. Der eisige Wind kam von der aufgewühlten Nordsee und dem Granit, dem kalten harten Stein unter der fruchtbaren schwarzen Erde.
Die zehn Meter hohe Mauer war schwarz und trostlos. Das Dach des Hauptgebäudes war gerade so dahinter sichtbar und die kleinen vergitterten Fenster wirkten wie die Augen eines unterernährten Kindes.
Sie kannte diesen Parkplatz gut, obwohl sie noch nie hier gewesen war.
Dieser Ort war zwar einer der wichtigsten Schauplätze in ihrem Buch Shadow of Death, aber sie war hochschwanger gewesen, als sie das Buch schrieb, und hatte Patrick Meehan die Fotos aus dem Archiv der News gezeigt und behauptet, das Gefängnis habe sich seit seiner Zeit stark verändert und ihn gefragt, ob er ihr sagen könne, was anders war. Meehan war schlau, nicht unbedingt mitteilsam, aber helle. Eigentlich könne er keine Veränderungen feststellen, hatte er gesagt, es sei seit dem Tag seiner Entlassung mehr oder weniger unverändert geblieben. Er besaß das Talent des Gefangenen bei anderen Schwächen zu entdecken. Er wusste, sie wollte sich die Mühe sparen, dorthin zu fahren. Natürlich hatte er vergessen zu erwähnen, dass die Gleise zum Steinbruch abgeschafft worden und mehrere ausgelagerte Gebäude dazu gekommen waren. Das fiel ihm erst bei der Buchvorstellung wieder ein.
Niemandem waren die Fehler in ihrer Darstellung aufgefallen. Dafür interessierten sich die Journalisten viel zu sehr für die Rolle, die sie selbst bei seiner Freilassung gespielt hatten. Die Öffentlichkeit aber zeigte überhaupt kein Interesse. Paddys Buch war das siebte, das über den Fall erschienen war, und der Publikumsgeschmack hatte sich von Fehlurteilen auf Sexualmorde und Serienkiller verlagert.
An dem Tag, an dem Patrick Meehan seine Begnadigung erhielt, rollte eine graue Nebelwand von der bedrohlich aufgewühlten See herein. Der Himmel hing so tief über den Köpfen der wartenden Pressmeute, dass sie sich in der Erwartung eines heftigen Wolkenbruchs in ihre Autos zurückzogen. Der Express hatte einen Deal abgeschlossen: Meehan bekam mehrere tausend Pfund für ein Exklusivinterview, niemand wusste genau, wie viel und selbst Jahre später, gab er die genaue Summe nicht preis. Damals, bevor das Sexleben von Fußballern als geeignete Titelgeschichte galt, machten die Zeitungen lieber Gangster und Mörder zu Stars. Da gab Meehan eine ideale Geschichte ab. Er war ein Gentleman-Verbrecher, ein Krimineller der alten Schule, und zu Unrecht wegen eines gemeinen Überfalls auf ein älteres Ehepaar verurteilt worden. Er hatte sieben lange Jahre seine Unschuld beteuert, aber die Richter hatten ein Gnadengesuch nach dem anderen abgelehnt. Die Kampagnen für seine Freilassung hatten in den Zeitungen begonnen, weshalb jeder, der jemals einen Artikel über ihn geschrieben hatte, glaubte, der Mann und seine Geschichte gehöre ihm.
Die Gefängnisleitung hatte aus Naivität sämtliche Einzelheiten seiner Freilassung offiziell bekanntgegeben, sodass sich an jenem Morgen die Vertreter der vierten Gewalt im Staate vollzählig versammelten. Das Warten machte die Angelegenheit problematisch.
Hätten sie ihn gleich morgens um Viertel nach sieben entlassen, gleich nachdem die Reporter von der Nachtschicht gegangen waren und kurz bevor die Tagesschicht begann, wäre niemand vorbereitet gewesen. So aber öffneten sich die Tore um zehn Uhr dreißig und Meehan trat aus der kleinen Tür, die in das große Metalltor eingelassen war, und geriet direkt in die Fänge der wartenden Pressevertreter. Plötzlich ging es hoch her.
Ein Typ vom Express packte Meehan am Arm und warf ihm einen Pullover über den Kopf, sodass niemand sonst ein Bild von ihm machen konnte. Von der Menge herumgeschubst und hin und her gezerrt, wurde er hinten in einen Wagen verfrachtet, in dem bereits seine Frau saß, und auf das Wiedersehen mit ihm und ein gemeinsames Interview wartete. Die Wagentüren wurden zugeschlagen und die Männer vom Express brüllten ihm zu, er solle sich auf den Boden legen. Meehan gehorchte, legte sich flach
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