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Der letzte Winter

Titel: Der letzte Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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die Polizei gerufen. Ich an ihrer Stelle hätte das jedenfalls getan. In der Nachbarwohnung war ein Mord geschehen, und jetzt stand jemand davor und starrte die Tür an. Verdächtig. Langsam glitt die Tür auf, zehn Zentimeter, zwanzig. Sie nahm Details wahr, einen Garderobenständer, einen Tisch. Einen hübschen Holzfußboden. Irgendwo spiegelten sich Leuchten auf den Dielen wie auf Eis, warmem Eis. Es sah einladend aus.
    »Hallo?«, sagte sie. »Hallo? Ist da jemand?« Sie bekam keine Antwort. »Hallo? Hallo?« Die Tür glitt noch ein Stück weiter auf. Das lag sicher an der Neigung des Hauses, alle diese alten Häuser neigten sich. Die Stadt war auf Schlamm erbaut. Wenn die Häuser gerade stehen sollten, musste man Pfähle bis nach China in die Erde rammen. Die Tür glitt und glitt, jetzt hörte sie ein Geräusch, als rollten Kugeln über den Boden. Es war tatsächlich eine Kugel! Jemand in der Wohnung rollte eine Kugel über den Boden. »Hallo? Hallo?« Sie betrat die Diele. »Hallo?« Sie machte noch ein paar Schritte. Das war nicht sie. Es war eine andere Person, die weiter in die Wohnung eindrang. Sie trug eine Uniform, einen Gummiknüppel und eine Pistole, die andere Gerda. Plötzlich war es Arbeit. Es hing mit dem zusammen, was in der Nachbarwohnung passiert war. Sie würde den Fall lösen, hier und jetzt. Sie war immer auf dem Weg hierher gewesen. Jetzt wusste sie es. Sie würde die trostlosen Stunden im Streifenwagen beenden. Sie würde etwas anderes werden. Noch ein Schritt, wenn sie dann keine Antwort bekam, würde sie die Kollegen anrufen. Das Handy hatte sie schon in der Hand. Sie schaute nach links. Sie sah eine Flasche Wein und ein Glas. Mitten in der Diele stand ein kleiner Tisch. Darauf lagen einige Bücher. Aber sie wusste es schon, bevor sie nach den rechten Winkeln schaute. Sie spürte, wie sich die Haut über ihrem Schädel zusammenzog, als würde sie plötzlich anfangen zu brennen. Sie hatte recht gehabt vor einigen Sekunden, sie war immer auf dem Weg hierher gewesen. In ihrem Kopf sauste es, rauschte es. Sie versuchte sich umzudrehen, zu laufen, wegzulaufen, wegzufliegen, fliegen! Aber sie wusste es schon. Bevor sie sich rühren konnte, schlug hinter ihr die Tür zu.

29
    H olst? Annica und Peder Holst? Was meinst du? Wie meinst du das?«
    »Ich spreche von der Familie, die ein Haus in Nueva Andalucia besitzt.«
    »Ja, ich weiß … wohl, wer das ist. Warum fragst du?«
    Winter antwortete nicht. Er wollte ihr nicht erklären, warum er fragte. Das hatte nichts mit ihr zu tun. Er wollte nicht, dass es mit irgendjemandem von ihnen zu tun hatte. Es ging nicht um Nueva Andalucia. Er wollte seine arme Mutter nicht mit Informationen über einen Mordfall beunruhigen. Es gab eine Grenze, und die sollte hier oben im Norden verlaufen. Siv hustete. Wieder. Es wäre ein Wunder, wenn sie kein Emphysem hatte. Ein langes Leben mit Marlboro. The Marlboro Woman . Angela lag ihr ständig in den Ohren, sich untersuchen zu lassen. Bald. Bald würde sie es tun. Wenn sie etwas hatte, das untersucht werden musste.
    »Warum fragst du, Erik?«
    »Darauf komme ich später zu sprechen. Wie gut kennst du die Familie?«
    Aus den Medien konnte sie nichts wissen. Die Namen der bis vor kurzem inhaftierten Männer waren nicht durchgesickert.
    »Ich habe nicht gesagt, dass ich sie kenne. Holst. Wenn es die sind, die du meinst … Annica und Peder … dann gibt es wohl keine anderen. Wenn es die sind, die ein Haus auf der anderen Seite von Las Brisas haben.«
    »Las Brisas?«
    »Der Golfplatz. Der große Golfplatz. Nicht Los Naranjos.«
    »Natürlich.«
    »Bengt war Mitglied im Los-Naranjos-Club.«
    Bengt Winter. Winter sah seinen Vater im Geist auf dem Abschlagplatz, in der sogenannten Wirklichkeit hatte er ihn nie dort gesehen. Darunter das Mittelmeer. Den Golfschläger in der Hand. Den Blick bereits auf einen wohlverdienten Gin Tonic beim neunzehnten Loch gerichtet. Der Schwung, gegen das Ziel. Die Sonne. Auf die Weise war er praktisch gestorben. Nicht schlecht. Außerdem war er vor seinem Tod mit seinem Sohn wiedervereint worden. Nicht jeder konnte das behaupten, wenn er vor der Himmelspforte ankam. Ich habe meinen Sohn wiedergetroffen. Er spielt kein Golf.
    »Ich meine mich zu erinnern, dass sie eine Tochter haben«, sagte Siv Winter. »An ihren Namen kann ich mich nicht erinnern.«
    »Madeleine.«
    »Ja … mag sein. Madeleine. Du kennst jedenfalls ihren Namen, Erik. Warum fragst du nach der Familie?«
    »Madeleine

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