Der letzte Winter
Problem, er trug einen Mantel und unter dem Helm eine Mütze. Er fühlte sich wie ein guter Mensch.
Halders wartete vor dem provisorischen Eingang.
»Meinetwegen hättest du dich nicht auf deinen Drahtesel schwingen müssen, Erik.«
»Ich war sowieso schon unterwegs.«
»Was also passiert jetzt?«, fragte Halders.
»Was ist mit dir passiert, Fredrik?«
»Ich bin zu der Erkenntnis gekommen, dass ich als Polizist geboren wurde.«
»Ja. Man kann nicht aufgeben, wozu man geboren ist. Jedenfalls nicht freiwillig.«
»Genau so ist es. Es wäre ein Fehler, ein großer Fehler. Mann, hab ich mir den Kopf zermartert. Und jetzt hab ich’s kapiert. Ich bleibe. Ich dachte, du wolltest es vielleicht wissen.«
»Ich freue mich sehr.«
»Ich wusste, dass du dich freuen würdest.«
»Wenn alles vorbei ist, werden wir es feiern.«
»Nichts ist jemals vorbei. Ist das nicht der springende Punkt?«
»Ich meine den Fall, in dem wir gerade ermitteln.«
»Ich habe mich ein bisschen ausgesperrt gefühlt«, sagte Halders.
»Ich möchte, dass du für mich einen Zehnjährigen findest«, sagte Winter.
Johnny Eilig stieg langsam die Treppen hinauf. Im Treppenhaus roch es nach Winter, mehr als damals. Von oben hörte er ein Klappern, eine Tür wurde geschlossen, geöffnet, vielleicht wieder geschlossen.
Im dritten Stock hingen die blauweißen Bänder schlaff vor der abgesperrten Wohnungstür. Die Wohnung will ich nie mehr betreten, dachte er.
Er klingelte an der Tür rechter Hand. Bengtsson stand auf einem Schild. Mehr nicht, einfach nur Bengtsson. Aber Bengtsson öffnete nicht.
Dafür öffnete sich die Tür hinter ihm. Johnny drehte sich um. Ein Mann trat ins Treppenhaus und schloss die Tür rasch hinter sich. Er hatte eine Art antiker Reisetasche in der Hand und warf Johnny einen hastigen Blick zu.
Er kam Johnny vage bekannt vor. Sonnengebräunt. Zuckt nicht direkt zusammen, wenn er einen uniformierten Polizisten vor seiner Wohnungstür antrifft. Er ist es gewöhnt. In den vergangenen Wochen sind viele Polizisten hier gewesen. Es waren unruhige Feiertage. Bald würde hoffentlich wieder Ruhe einkehren.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte der Mann. Er blieb vor seiner Wohnungstür stehen.
Was soll ich sagen? Meine Kollegin ist verschwunden? Das klingt ja idiotisch, als könnten wir nicht selber auf uns aufpassen. Haben Sie eine Polizistin vorbeikommen sehen? Wir suchen sie. Klingt verdammt dämlich.
»Nein … ich war schon mal hier.«
Das klang auch idiotisch.
»Ja?«
»Sie haben keine ungewöhnlichen Geräusche oder so etwas in letzter Zeit gehört?«
»Was meinen Sie mit letzter Zeit?«
»In den vergangenen vierundzwanzig Stunden.«
»In den vergangenen vierundzwanzig Stunden? Was für Geräusche denn?«
»Irgendetwas. Schritte. Stimmen. Haben Sie etwas aus der abgesperrten Wohnung gehört?«
»Nichts. Ich habe überhaupt nichts gehört.« Der Mann lächelte. »Es ist ein sehr ruhiges Haus.«
»Ja.«
Der Mann wies mit dem Kopf auf die Absperrbänder.
»Haben Sie etwas herausgefunden? Wer das … ja, Sie verstehen schon.«
»Ich weiß es nicht«, sagte Johnny. »Mit dem Fall habe ich nichts zu tun.«
»Und trotzdem sind Sie hier.« Der Mann lächelte wieder. Es war kein angenehmes Lächeln. Johnny gefiel es nicht. Wenn es überhaupt ein Lächeln war. Es sah eher aus wie eine Grimasse.
»Ich muss jetzt gehen«, sagte Johnny. »Unten wartet der Streifenwagen.«
»Ich leiste Ihnen Gesellschaft«, sagte der Mann. »Ich bin auch auf dem Weg nach unten.« Er schaute zur Fahrstuhltür. »Ich nehme nie den Fahrstuhl.«
»Wie war noch Ihr Name?«, fragte Johnny. Das vergoldete Namensschild an der Tür hatte er nicht entziffern können. Es war zu klein. Als sie das erste Mal hier angekommen waren, hatte er es gar nicht beachtet. Gerda und er. Wer von ihnen war vorangegangen?
»Schiöld«, antwortete der Mann. »Herman Schiöld.«
»Wohnen Sie schon lange hier?«
»Ich habe immer hier gewohnt.« Schiöld schaute weg, als er das sagte. Es klang, als glaubte er selber nicht daran. Er war ein wenig älter als Johnny, aber nicht viel. Er wirkte älter. Er hatte eine andere Erziehung genossen.
»Kannten Sie dieses Paar?«, fragte Johnny. »Ihre Nachbarn?«
Sie waren die Treppen halbwegs hinuntergegangen.
»Klar kannte ich sie«, sagte Schiöld, »besonders die Frau.«
Winter las Gerda Hoffners Dienstrapporte. Negative Zukunftsvisionen, wie üblich, aber sie spielten sich jetzt und hier ab. Das Paradies lag
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