Der letzte Winter
Vielleicht war es nur ein absurder Zusatz gewesen.
Oder der Versuch, etwas zu verbergen. Vor jemandem zu verbergen. Oder Enttäuschung. Nachträgliche Enttäuschung, dachte er, lange danach.
Handelte es sich um eine Schul- BM ? 1981 . Da war ich einundzwanzig und habe noch Fußball gespielt, aber die Karriere war eigentlich schon zu Ende.
Es müsste relativ einfach sein herauszufinden, ob Anders Dahlquist 1981 in irgendeiner Disziplin gewonnen hatte.
Aber Winter war sicher, dass es nicht um ihn ging. Der Mann war vierundvierzig geworden, und BM -Sieger mit siebzehn klang ein wenig alt. Doch das war nicht der Grund, warum Winter sich ihn nicht als Sieger vorstellen konnte. Der Pokal war zwischen den Wohnungen hin- und hergewandert. Ein Wanderpokal. Er hatte sich nicht von selbst bewegt.
Winter bog am Wavrinskys plats nach rechts ab, fuhr an Chalmers vorbei und die Aschebergsgatan hinunter. Er parkte vor dem Haus am Vasaplatsen und war daheim.
Niemand antwortete, als er die Wohnungstür öffnete und rief. Auf dem Küchentisch lag ein Zettel: Wir sind auf dem Rodelhügel!!
Er ging ins Wohnzimmer, öffnete die Balkontür und trat hinaus. Von hier aus konnte er tatsächlich die Gestalten sehen, die sich oberhalb der Universität bewegten, ein Zipfel vom Winter: Schnee, Bewegung, Rufe. Fetzen der Rufe kamen durch die klare Winterluft geflogen. Rund um die Anhöhe hatten die Behörden Scheinwerfer montiert. Wintersport am Winterabend. Eine beleuchtete Sportpiste mitten in der Stadt. Das Telefon im Flur klingelte. Vielleicht begann es jetzt. Jemand hatte seine geheime Telefonnummer herausbekommen. Nach dem dritten Klingeln hob er ab.
»Erik Winter.«
»Hallo, Erik. Hier ist Mama.«
»Bist du auch auf dem Hügel?«
»Nein, sind sie immer noch dort? Es ist doch schon dunkel.«
»Der Hügel ist beleuchtet.«
»Aber wir waren doch schon zu Hause. Dann sind sie also noch mal los.«
»Offenbar.«
»Und du bist wieder da«, sagte sie. »Alles gutgegangen?«
»Das weiß man immer erst hinterher.«
»Ich glaube, ich habe da einiges durcheinandergebracht, Erik.«
»Durcheinandergebracht?«
»Ich bin nicht sicher, ob jemand verletzt wurde, damals.«
»Sprichst du vom Pool der Familie Holst?«
»Ja.«
»Also, was meint ihr nun konkret?«
»Du brauchst nicht so ungeduldig mit mir zu reden.«
»Entschuldige. Heute ist so viel Information auf mich eingeprasselt.«
»Ich glaube, dort ist etwas passiert … bei Holsts. Aber ich erinnere mich nicht daran, was. Gleichzeitig ist irgendwo ein Unglück geschehen. Bei jemandem zu Hause. In einem Pool. Aber ich glaube nicht, dass es dort war.«
»War es in Nueva Andalucia?«
»Ich glaube ja.«
»Hast du noch einmal mit diesem Mann gesprochen … wie hieß er noch?«
»Kurt Wejne.«
»Hast du noch einmal mit ihm gesprochen?«
»Nein.«
»Gib mir mal seine Nummer.«
»Meinetwegen brauchst du ihn nicht anzurufen, Erik.«
»Nicht deinetwegen und meinetwegen auch nicht.«
»Weswegen dann?«
»Es geht um die Opfer. Es ist wie immer.«
»Ach, das Ganze ist so schrecklich.«
»Da geb ich dir recht.«
»Wie hältst du diesen Job überhaupt aus, Erik!«
Er konnte ihr nicht erzählen, dass es um viel mehr ging, als ihn nur auszuhalten. Dass er nichts anderes als diese Arbeit beherrschte. Er wollte gar nichts anderes. Es war sein Leben. Am lebendigsten fühlte er sich, wenn er sich mit dem Tod beschäftigte. Normal waren diese Gefühle nicht, aber für ein anderes Leben war er schon verdorben. Er akzeptierte es und wollte mehr. All das konnte er ihr nicht erzählen.
Ringmar unterhielt sich mit Johnny Eilig. Der Streifenwagen parkte vor dem Nordstan. Da drinnen tobte immer noch der Kaufrausch. Ich bin noch nie bei einem Schlussverkauf gewesen. Vielleicht habe ich Dinge in meinem Leben verpasst, an denen ich Freude gehabt hätte, und jetzt ist es zu spät.
»Ich mache mir wirklich Sorgen«, sagte Johnny.
»Wie sah es in ihrer Wohnung aus?«
»Normal, nehme ich an. Ich bin noch nie bei ihr gewesen. Es herrschte kein Durcheinander oder so.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich weiß nicht … Es hatte nicht den Anschein, als wäre eine andere Person in der Wohnung gewesen.«
»Eine andere Person? Wer sollte das sein?«
»Ich meine, es hat nicht nach Streit oder so was ausgesehen. Oder als ob jemand eingebrochen wäre.«
»Der sie gezwungen hat, mitzugehen?«, fragte Ringmar.
»Ja. Aber danach sah es nicht aus.«
»Wann haben Sie zuletzt mit ihr
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