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Der letzte Winter

Titel: Der letzte Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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werden auf die gleiche Art und Weise ermordet. Das wissen Sie bereits. Aber warum gerade sie? Warum Madeleine und Gloria? Und – warum Martin und Erik?«
    »Woher soll ich das wissen?«, fragte Holst zurück. »Das herauszufinden ist Ihr Job.«
    »Indem ich zum Beispiel Ihnen Fragen stelle«, sagte Winter. »Ich frage Sie jetzt also: Was ist zwischen Ihnen und Lentners vorgefallen?«
    »Was? Was?«
    Holst drehte sich um, als würde noch eine weitere Person zuhören. Aber seine Frau war nicht wieder heruntergekommen. Darüber hatte Winter sich gewundert. Offenbar wollte sie, dass ihr Mann allein mit ihm sprach. Vielleicht über diese Sache.
    »Was ist passiert?«, fragte Winter.
    »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
    Doch er wusste es. Und Winter wusste, warum er so tat, als wüsste er es nicht. Es war schon so lange her. Vielleicht hatte er zwanzig Jahre gebraucht, um es zu verdrängen. Jetzt kam alles wieder an die Oberfläche, mitten in seinem hübschen Wohnzimmer, wie Schlamm aus Klärbehältern in der Unterwelt, von dem er geglaubt hatte, er würde bis in alle Ewigkeit im Urgestein vergraben bleiben. Vergessen für diese Welt. So war es jedoch nie. Alles kam wieder an die Oberfläche. Eine Weile konnte man die Scheiße unterdrücken, aber am Ende war sie nicht mehr einzudämmen. Immer kam der Augenblick, und Holsts Augenblick war jetzt gekommen.
    Er brach in Tränen aus. Plötzlich wirkten seine Augen ganz lebendig. Winter dachte an eine Wüste, die sich mit Wasser füllte.
    »Was ist damals geschehen?«, wiederholte er.
    »Woher … wissen Sie … Was wissen Sie?«
    »Ich möchte es wissen«, sagte Winter. »Erzählen Sie mir, was passiert ist.«
    »Warum? Das … das hat nichts mit der Sache zu tun. Es spielt keine Rolle.«
    »Was haben Sie mit dem Jungen gemacht?«
    »Ich habe nichts gemacht!« Holst ballte eine Faust und kam einen Schritt auf ihn zu. Winter spürte Bedrohung in der Luft, wie einen flüchtigen Windhauch. Holst öffnete die Hand. Er betrachtete seine Finger, als sähe er sie zum ersten Mal. Seine Augen waren genauso schnell getrocknet, wie sie sich mit Tränen gefüllt hatten. »Was soll ich getan haben? Was haben sie gesagt? Was haben sie Ihnen erzählt?«
    »Wer?«
    »Mats und Ann Lentner natürlich. Was zum Teufel haben sie gesagt?«
    »Nur das, was Erik ihnen erzählt hat.«
    »Erzählt hat?! Es gibt nichts zu erzählen!«
    »Erzählen Sie es mir trotzdem«, sagte Winter.
    »Machen Sie sich etwa lustig?«
    »Nein.«
    Wieder spürte Winter die Bedrohung, die von Holst ausging. Sie lag auf der Lauer, wie ein schwarzer Schatten, der jeden Moment Gestalt annehmen konnte.
    »Das verdammte Blag hat sich Sachen eingebildet. Das tat er dauernd. Er hat phantasiert! Als ob ich … ob wir … als ob was passiert wäre. Das hat er sich nur eingebildet!«
    »Wo war es?«, fragte Winter.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Wo ist es geschehen?«
    »Es ist nichts passiert, das habe ich doch gesagt!«
    »Trotzdem muss es einen Ort geben«, sagte Winter. »Auch wenn nichts passiert ist. Wo war es?«
    »Haben sie es nicht gesagt? Wer weiß, was da alles geredet wird.«
    »Wer soll was gesagt haben?«
    »Lentners natürlich.«
    »Wo war es?«, wiederholte Winter.
    »Spanien. Costa del Sol.«
    »Wo dort?«
    »Wie – wo dort? Wo wir ein Haus haben natürlich. In einem Ort, der Nueva Andalucia heißt. Er liegt westlich von Marbella.«
    »Wo Lentners auch ein Haus hatten, nicht wahr?«
    Holst antwortete nicht.
    »Bei Ihnen zu Hause?«
    Auch darauf antwortete Holst nicht.
    »War es in Ihrem Haus?«
    »Es gehört mir zusammen mit meiner Frau«, sagte Holst. »Und sie weiß, dass nichts passiert ist. Alle wissen es. Dieser Junge hatte eine blühende Phantasie. Er hat phantasiert. Er kam an den Pool, als ich schwimmen wollte. Plötzlich stand er einfach da. Ich trug keine Badehose.« Holst sprach jetzt ernst, und er sprach schnell. »Ich bade immer nackt. Das wissen alle. Das wussten alle. Ich hatte ihn nicht bemerkt. Erst als ich ins Wasser wollte, sah ich ihn da stehen. Ich bin trotzdem ins Wasser gegangen und gleich untergetaucht. Damit er mich nicht sah. Aber er blieb stehen. Gott weiß, warum. Ich glaube, ich habe ihn gebeten zu gehen, damit ich den Pool wieder verlassen konnte. Allmählich wurde mir kalt. Schließlich war es Winter, obwohl der Himmel blau war. Er blieb jedoch stehen und glotzte wie ein Idiot. Und als ich endlich aus dem Wasser stieg, bat ich ihn, mir mein Handtuch zu geben, und das hat er

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