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Der letzte Wunsch

Der letzte Wunsch

Titel: Der letzte Wunsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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mit dir los? Was ist geschehen, dass du sie so nahe herangelassen hast? Was wolltest du mit ihr machen? Sie bumsen?«
    Er antwortete nicht, lächelte nur sacht.
    »Grins nicht so dumm.« Die Priesterin stand auf, nahm von der Kommode eine Tasche mit Verbandszeug. Trotz ihrer Leibesfülle und der niedrigen Statur bewegte sie sich geschickt und anmutig. »An dem, was passiert ist, ist nichts komisch. Deine Reflexe lassen nach, Geralt.«
    »Du übertreibst.«
    »Ich übertreibe gar nicht.« Nenneke strich einen grünen Brei auf die Wunde, der durchdringenden Eukalyptusgeruch verströmte. »Du durftest dich nicht verwunden lassen, hast es aber getan, und das sehr schwer. Sogar verhängnisvoll. Sogar bei deinem unglaublichen Regenerationsvermögen wirst du mehrere Monate brauchen, bis der Hals wieder vollends beweglich ist. Ich warne dich, miss deine Kräfte in der Zeit nicht mit einem beweglichen Gegner.«
    »Danke für die Warnung. Gib mir vielleicht noch einen Rat: Wovon soll ich in der Zeit leben? Ein paar Fräuleins zusammenrufen, einen Wagen kaufen und ein fahrendes Freudenhaus aufmachen?«
    Nenneke zuckte mit den Achseln, während sie ihm mit raschen, sicheren Bewegungen den Hals verband. »Soll ich dir Ratschläge und Lebensweisheiten geben? Bin ich vielleicht deine Mutter? So, fertig. Du kannst dich anziehen. Im Refektorium erwartet dich ein Frühstück. Beeil dich, sonst wirst du selbst für dich kochen. Ich habe nicht vor, die Mädchen bis zum Mittag in der Küche zu lassen.«
    »Wo finde ich dich später? Im Allerheiligsten?«
    »Nein.« Nenneke stand auf. »Nicht im Allerheiligsten. Du bist hier ein gern gesehener Gast, Hexer, aber lauf mir nicht ins Allerheiligste nach. Geh essen. Wenn es an der Zeit ist, werde ich dich selbst finden.»
    »Gut.«

II
    Geralt ging zum vierten Mal die kleine Pappelallee entlang, die vom Tor zu den Wohngebäuden und in Richtung des in einen zerklüfteten Fels gehauenen Blocks von Allerheiligstem und Haupttempel führte. Nach kurzem Nachdenken verzichtete er darauf, unters Dach zurückzukehren, bog zu den Gärten und Wirtschaftsgebäuden ab. Ein gutes Dutzend Priesterinnen in grauen Arbeitskitteln war dort fleißig dabei, die Beete zu jäten und das Geflügel in den Hühnerställen zu füttern. Die meisten von ihnen waren jung oder sehr jung, fast noch Kinder. Einige grüßten ihn im Vorbeigehen mit einem Kopfnicken oder einem Lächeln. Er erwiderte die Grüße, erkannte aber keine von ihnen. Obwohl er oft im Heiligtum war, ein-, mitunter auch zweimal pro Jahr, traf er nie auf mehr als drei, vier bekannte Gesichter. Die Mädchen kamen und gingen – als Seherinnen in andere Tempel, als Hebammen und auf Frauen- und Kinderkrankheiten spezialisierte Heilerinnen, als fahrende Druidinnen, Lehrerinnen oder Gouvernanten. Doch nie fehlte es an neuen, die von überallher kamen, selbst aus den abgelegensten Gegenden. Das Heiligtum der Melitele in Ellander war bekannt und genoss verdienten Ruhm.
    Der Kult der Göttin Melitele war einer der ältesten und seinerzeit einer der verbreitetsten, und seine Anfänge reichten in unvordenkliche, noch vormenschliche Zeiten zurück. Fast jede vormenschliche Rasse und jeder urtümliche, noch nomadische Menschenstamm verehrte eine Ernte- und Fruchtbarkeitsgöttin, die Beschützerin der Ackerbauern und Gärtner, die Schutzherrin von Liebe und Ehe. Die meisten von diesen Kulten hatten sich vereinigt und waren im Kult der Melitele zusammengeflossen.
    Die Zeit, die mit anderen Religionen und Kulten ziemlich erbarmungslos verfahren war, die sie in vergessenen, kaum besuchten, im Häusermeer der Städte verlorenen kleinen Heiligtümern und Tempeln zurückgelassen hatte, zeigte sich der Melitele gnädig. Der Melitele fehlte es weiterhin weder an Gläubigen noch an Gönnern. Die Gelehrten, die dieses Phänomen analysierten, griffen zur Erklärung für die Beliebtheit der Göttin meistens auf die Urkulte der Großen Mutter zurück, der Mutter Natur, verwiesen auf die Zusammenhänge mit dem Zyklus der Natur, mit der Wiedergeburt des Lebens und anderen mit großen Worten benannten Erscheinungen. Geralts Freund, der Troubadour Rittersporn, der gern als Spezialist in allen möglichen Sparten galt, suchte einfachere Erklärungen. Der Kult der Melitele, erklärte er, sei ein typischer Frauenkult. Melitele sei ja die Schutzherrin von Fruchtbarkeit und Geburt, die Beschützerin der Wöchnerinnen. Und bei der Geburt müsse eine Frau schreien. Außer dem üblichen

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