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Der letzte Wunsch

Der letzte Wunsch

Titel: Der letzte Wunsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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verbindet nach wie vor kein Vertrag, noch immer habe ich mich Euch gegenüber zu nichts verpflichtet. Ihr habt keinen Grund zu der Annahme, Ihr hättet Euch einen Hexer gekauft, der für einen Silbergroschen oder anderthalb tun wird, was Ihr selbst nicht könnt. Oder nicht wollt. Oder nicht dürft. So ist es nicht, Herr Dhun. Ihr habt Euch den Hexer noch nicht gekauft, und ich glaube nicht, dass es Euch gelingen wird. Nicht, solange Ihr keine Lust habt zu verstehen.«
    Dhun schwieg und musterte Geralt mit finsterem Blick. Brennessl räusperte sich, rutschte auf der Bank herum, schurrte mit den Bastschuhen über den Estrich, dann richtete er sich plötzlich auf. »Herr Hexer«, sagte er. »Nichts für ungut. Ich werde Euch sagen, was Sache ist. Dhun?«
    Der Dorfälteste nickte zustimmend und setzte sich.
    »Als wir hierhergefahren sind«, begann Brennessl, »habt Ihr gesehen, wie gut hier alles wächst, wie reich die Ernte ist. Solches kommt hier oft vor, wovon man anderswo selten oder gar nicht hört. Darum sind bei uns auch Setzlinge und Saatgut ein wichtig Ding, wir zahlen die Abgaben damit, verkaufen und tauschen sie . . .«
    »Was hat das mit dem Teufel zu tun?«
    »Hat es. Früher hat der Teufel hier und da was gestohlen und dumme Streiche gespielt, aber dann begann er mit Macht, Korn zu stehlen. Zuerst haben wir angefangen, ihm etwas zu dem Stein im Hanf zu bringen, dachten, er würde sich satt fressen und Ruhe geben. Nichts da: Er hat weiter gestohlen, was das Zeug hält. Und wie wir angefangen haben, die Vorräte vor ihm zu verstecken, in Kellern und Schuppen verriegelt und verrammelt, da wurde er wütend, Herr, brüllte und meckerte, schrie ›ukuk‹, und wenn er das macht, nimmt man lieber die Beine in die Hand. Er hat gedroht, dass er . . .«
    ». .. euch in den Hintern tritt«, warf Rittersporn grinsend ein.
    »Das auch«, stimmte ihm Brennessl zu. »Und den roten Hahn erwähnte er auch. Was gibt’s da viel zu reden, er konnte nicht stehlen, da hat er Abgaben verlangt. Hat befohlen, ihm säckeweise Korn und anderes Gut zu bringen. Und da sind wir dann böse geworden und haben uns vorgenommen, ihm den geschwänzten Arsch zu gerben. Aber . . .«
    Der Bauer räusperte sich, senkte den Blick.
    »Red nicht um den heißen Brei herum«, ließ sich Dhun plötzlich vernehmen. »Wir haben den Hexer unterschätzt, Brennessl. Sag alles.«
    »Die Großmutter hat verboten, den Teufel zu schlagen«, sagte Brennessl rasch. »Aber wir wissen ja, dass es Lille ist, denn die Großmutter ... Die Großmutter sagt nur, was Lille will. Und wir ... Ihr wisst selber, Herr Hexer. Wir gehorchen.«
    »Ich hab’s bemerkt.« Geralt verzog die Lippen zu einem Lächeln. »Die Großmutter braucht bloß mit dem Kinn zu wackeln und ein paar Sätze zu stottern, die sie selber nicht versteht. Und das Mädchen starrt ihr an wie die Statue einer Göttin, weicht ihrem Blick aus, versucht aber, ihre Wünsche zu erraten. Und ihre Wünsche sind für euch Befehle. Wer ist sie, die Lille?«
    »Ihr habt es doch erraten, Herr. Eine Seherin. Also eine Weise Frau. Aber sagt das niemandem. Wir bitten Euch. Wenn der Vogt davon erfährt oder, verhüten’s die Götter, der Statthalter . . .«
    »Keine Angst«, sagte Geralt ernst. »Ich weiß, worum es geht, und werde euch nicht verraten.«
    Die seltsamen Frauen und Mädchen in den Dörfern, die Seherinnen oder Weise Frauen genannt wurden, genossen keine sonderliche Zuneigung seitens der Magnaten, die von der Bauernschaft Abgaben und Steuern einzogen. Die Bauern holten immer den Rat der Seherinnen ein, in beinahe jeder Angelegenheit. Sie glaubten ihnen blind und grenzenlos. Die aufgrund solcher Ratschläge getroffenen Entscheidungen standen jedoch oft in krassem Gegensatz zur Politik der Grundherren und Herrscher. Geralt hatte von geradezu radikalen und unbegreiflichen Fällen gehört – vom Abschlachten ganzer Zuchtherden, vom Aussetzen von Saat oder Ernte und sogar von der Abwanderung ganzer Dörfer. Die Herrscher unterdrückten daher den »Aberglauben« und waren dabei oft nicht wählerisch in den Mitteln. So lernten die Bauern schnell, die Weisen Frauen verborgen zu halten. Doch sie hörten nicht auf, ihrem Rat zu folgen. Denn eins stand, wie die Erfahrung lehrte, außer Zweifel – auf lange Sicht erwies sich immer, dass die Weisen recht hatten.
    »Lille hat uns nicht erlaubt, den Teufel zu töten«, fuhr Brennessl fort. »Sie hat gesagt, wir sollen es so machen, wie es im Buche steht. Wie Ihr

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