Der Leuchtturm von Alexandria
höchst unglücklichen Diokles einmal besucht, und unmittelbar nach diesem Besuch sei es Diokles sehr viel schlechter gegangen. Er behauptet, gleich nach Diokles’ Tod sei dessen Zimmer durchsucht worden, und man habe unter der Kleidertruhe die in einem Stück Tuch eingewickelte Pfote einer Ratte gefunden. Er behauptet, du habest in deiner Eigenschaft als Zauberer die Kadaver mehrerer Tiere und sogar den Leichnam eines Mannes verstümmelt. Es sei sowieso allgemein bekannt, daß du ein Zauberer bist und deine Heilungen durch Magie bewirkst. Er sagt, er werde den Fall vor das Provinzgericht in Tomis bringen. Außerdem verlangt er von mir, dich in Arrest zu nehmen und dein Haus nach Beweisen für zauberische Praktiken zu durchsuchen. Ich hoffe, du hast nichts dagegen, wenn ich dein Haus durchsuchen lasse? Ich bin sicher, höchst ehrenwerter Chariton, daß sich diese Anschuldigungen als haltlos erweisen, aber ich möchte in den Augen des Statthalters nicht als pflichtvergessen dastehen.«
Ein Blick in Valerius’ nervöses Gesicht zeigte mir, daß er alles andere als sicher war, diese Anschuldigungen seien haltlos, und daß er erwartete, ich werde mich weigern, mein Haus durchsuchen zu lassen, zumindest so lange, bis ich Zeit hätte, jeglichen Beweis für meine Zaubereien beiseite zu schaffen. Ich schwieg und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. »Kann Xanthos mit seiner Klage denn überhaupt zum Statthalter gehen?« fragte ich schließlich. »Ich dachte, dafür ist das Militärgericht zuständig.«
»Ihr seid alle beide nicht im Militärdienst. Er könnte das Militärgericht zwar anrufen, aber er ist nicht dazu verpflichtet.«
Bei einem Militärgericht hätte Sebastianus den Vorsitz geführt, und es war klar, daß Xanthos dies tunlichst vermeiden würde.
»Es steht dir frei, mein Haus zu durchsuchen«, sagte ich. Meine Stimme klang bestimmt ebenso wütend, wie ich auch tatsächlich war, denn Valerius zuckte zusammen. »Ich möchte allerdings bei der Durchsuchung dabeisein, um sicherzugehen, daß nichts kaputt geht. Aber zuerst möchte ich mit Xanthos sprechen.« Xanthos war zu Hause, sein Sklave öffnete mir die Tür. Als dieser sah, wer dort stand, stieß er einen Schrei aus und schloß sie wieder. Ich klopfte noch einmal, und einen Augenblick später ging die Tür auf, und da stand Xanthos. Er machte das Zeichen gegen den bösen Blick, blieb auf der Schwelle stehen und starrte mich haßerfüllt an.
»Mach dich nicht lächerlich; du mußt mich reinlassen und mit mir sprechen«, sagte ich. »Ich habe gehört, daß du mich der Zauberei bezichtigst. Du hast keinerlei Beweise. Ich weiß, daß du mich haßt, aber ich bin unschuldig. Warum ersparst du uns nicht allen beiden die Unkosten und den Ärger eines Verfahrens beim Provinzialgericht?«
Xanthos spuckte vor mir aus. »Glaubst du, daß du mich zum Narren halten kannst? Ich weiß, daß du Diokles mit deinen Zaubersprüchen auf dem Gewissen hast. Ich wollte, du wärest tot, bevor du mich ebenfalls tötest. Außerdem weiß ganz Novidunum, daß du ein Zauberer bist: Das werde ich ohne große Schwierigkeiten beweisen können.«
»Du hast Diokles mit deinen Blutegeln und deiner Nieswurz doch selbst auf dem Gewissen!« rief ich wütend und verlor die Beherrschung. »Wenn du mich vor Gericht bringst, wirst du gar nichts beweisen außer deiner eigenen Unfähigkeit!«
Xanthos grinste mich hämisch an und schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Ich werde es noch erleben, daß du auf die Folterbank kommst, Chariton! Jetzt scher dich fort.« Er schloß die Tür. Ich schlug noch einmal dagegen, doch nichts rührte sich.
Als ich nach Hause kam, warteten einige Soldaten und der Schreiber von Valerius auf mich, um mein Haus zu durchsuchen. Sueridus und Raedagunda standen in der offenen Tür und sahen verängstigt aus. Raedagunda war inzwischen schwanger: Sie und Sueridus hatten es wohl als selbstverständlich angesehen, miteinander zu schlafen, da sie in demselben Haus und bei demselben Gebieter lebten. Ihr Geflüster und Gekichere nach Einbruch der Dunkelheit hatten mich oft genug geärgert, vor allem, seit ich selbst liebeskrank war, doch als ich jetzt sah, wie sie auf der Türschwelle standen und sich aneinander klammerten, fühlte ich einen Stich im Herzen. Wenn das Gericht Xanthos’ Vorwürfe ernst nahm, würde man sie beide foltern.
Die Soldaten gingen meine Sachen sehr respektvoll durch, und der Schreiber fertigte eine Liste von allem an, was sie fanden.
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