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Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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Nachricht erschütterte die Armee wie ein Erdbeben. (Es hatte den Anschein, daß er am Schlagfluß gestorben war: Er war über die Unverschämtheit eines Gesandten der Quaden ganz außer sich geraten, und es war wohl kein Arzt in der Nähe gewesen, der ihn sofort hätte behandeln können; ich mußte die Besonderheiten des Schlagflusses mit jedermann in Novidunum lang und breit erörtern.) Er hatte seinen Sohn Gratianus schon lange vorher zum Mitregenten ernannt, doch dieser junge Mann war erst achtzehn, und als sein Vater starb, war er weit weg in Gallien. Man befürchtete, einer der illyrischen Generäle könne den Purpur auf der Stelle für sich beanspruchen. Derjenige, dem das besondere Mißtrauen galt, war zufällig Sebastianus’ Vater, der bei seinen Truppen äußerst populäre Heerführer von Illyrien. Der Oberbefehlshaber der Leibgarde, Merobaudes, hielt die Nachricht vom Tode des Kaisers so lange wie möglich geheim und schickte den älteren Sebastianus unter einem Vorwand in das Hunderte von Meilen entfernte Mursa. Dann ließ er den zweiten Sohn des Kaisers holen und rief ihn auf der Stelle zum Augustus aus, um die Erbfolge des Hauses von Valentinian zu sichern. Dieser Sohn war ein kleiner vierjähriger Junge, der zufällig ganz in der Nähe bei seiner Mutter gelebt hatte. Sebastianus war ziemlich wütend.
    »Mein Vater ist ein treuer und aufrichtiger Mann, und Merobaudes hätte ihn ebensogut gleich des Verrats bezichtigen können!« sagte er eines Abends zu Athanaric und mir. Sie waren beide auf Stippvisite in Novidunum, Athanaric auf seinem Weg über den Fluß und Sebastianus während einer Truppeninspektion. Sebastianus hatte uns zum Abendessen eingeladen. Er lud mich meistens ein, wenn er im Lager war, und auch Athanaric war jedesmal, wenn sie sich trafen, sein Gast: Er liebte Gesellschaft.
    »Es sind schon andere Leute gegen ihren Willen zum Kaiser ausgerufen worden«, meinte Athanaric besänftigend. »Die Soldaten ziehen einen Kaiser vor, der aus ihrer Mitte stammt, das weiß doch jeder! Und was hätte dein Vater dagegen tun können, wenn sie ihm zugejubelt hätten? Er hätte den Augustus Gratianus nicht davon überzeugen können, daß er es gar nicht geplant hatte.
    Er hätte gar nicht anders können, als an dem Titel festzuhalten, nur um am Leben zu bleiben – und nach einem kostspieligen Bürgerkrieg hätte er sein Leben wahrscheinlich sowieso verloren.«
    Sebastianus stöhnte. »Merobaudes hätte ihm derartige Befürchtungen ganz offen eingestehen können. Dann hätte Vater seine eigenen Schritte ergreifen können, um es zu verhindern. Vielleicht wäre er aus freien Stücken irgendwohin gegangen und hätte nicht diesen dunklen Fleck auf seinem Ruf. Und dieses Kind zum Augustus auszurufen! Valentinian der Zweite! Was wird er tun? Den Alemannen den Krieg erklären, wenn sie ihm nicht ihre sämtlichen Spielsachen ausliefern? ›Dies Schaukelpferd gehört ihrer Erhabenen Majestät!‹«
    Athanaric seufzte. »Er ist jetzt der Augustus, und wir sollten den Mund halten. Es kann nichts Gutes dabei herauskommen, wenn man sich über einen Kaiser lustig macht. Niemand hat irgendwelche Anschuldigungen gegen deinen hochgeschätzten Vater erhoben, mein Freund. Er übt nach wie vor sein Kommando aus und genießt das Vertrauen des neuen Kaisers sowie den Respekt seiner Soldaten.«
    »Das wollen wir doch hoffen!« rief Sebastianus, doch er war besänftigt.
    In jenem Frühjahr gab es an der Grenze noch eine weitere Veränderung, die Sebastianus empörte. Der Vater seines Freundes Theodosius wurde in Afrika – wo er sich auf das höchste ausgezeichnet hatte – plötzlich seines Kommandos enthoben und in Karthago kurzerhand hingerichtet. Niemand wußte, warum. Niemand beschuldigte ihn offiziell des Hochverrats, und der junge Theodosius durfte die Familiengüter behalten, obwohl auch er seines Kommandos enthoben wurde. Die Leute sagten, der Heerführer sei wegen irgendwelcher zauberischer Praktiken hingerichtet worden, doch Sebastianus wies diese Verdächtigungen zurück. »Ja, es stimmt, der Heerführer war blutdürstig«, meinte er mir gegenüber, als er wieder einmal in Novidunum war. »Aber er war aufrichtig; er hätte niemals das Orakel befragt.«
    Bei der Erwähnung des Orakels spürte ich, wie es mir kalt den Rücken hinunterlief. »Vielleicht ist sein Name an allem schuld«, sagte ich.
    »Sein Name?« fragte Sebastianus verwirrt. »Was willst du damit sagen?«
    »Vor ein paar Jahren weissagte ein Orakel ein

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