Der Leuchtturm von Alexandria
wirklich. Doch ich wußte, daß ich ebenfalls schuldig war. Ich war mir nicht sicher, ob ich ihn getötet hatte, um mich zu verteidigen oder um mein Geheimnis zu bewahren. Wenn ich wirklich ein Eunuch gewesen wäre, wäre es Xanthos wahrscheinlich gelungen, mich zu töten. Es wäre ein leichtes für ihn gewesen, so lange zu warten, bis ich in der Wanne saß, dann aus dem Versteck hervorzuspringen, mich zu erstechen, die Hintertür zu entriegeln und aus dem Lager zu entkommen. Rache und Flucht. Doch weil ich eine Frau war, hatte er seine Pläne geändert. Rache und Erpressung. Vergewaltigung ist ein guter Ersatz für Mord, weniger endgültig, doch für das Opfer sehr viel demütigender, und die Gier hatte ihn gelockt. Aber ich hätte ihm die Vergewaltigung vielleicht ausreden können. Und wenn ich mich geweigert hätte, mich erpressen zu lassen, wenn ich um Hilfe gerufen hätte, wäre das Ganze glimpflicher verlaufen und hätte nicht in einem Blutbad enden müssen.
Die Erinnerung an den Zwischenfall blieb mir verhaßt. Ich benutzte das Badehaus nie wieder und verbrannte die blutgetränkte Tunika. Valerius hatte Xanthos’ Körper verbrennen und die Asche in die Donau streuen lassen, damit alles, was mit ihm zusammenhing, weit fortgeschwemmt würde – aber ich glaubte, er würde mich immer und ewig verfolgen.
8
Einen Monat, nachdem ich Xanthos getötet hatte, beschloß ich, einen weiteren Sklaven zu kaufen.
Inzwischen hatte meine Arbeitsüberlastung etwas nachgelassen. Die Goten waren schon seit langem flußaufwärts gezogen, um die Donau an der Grenze nach Mösien zu überqueren, und unter unseren eigenen Truppen gab es immer noch keine Pestfälle. Ich hatte wenig zu tun und konnte über meinen eigenen Haushalt nachdenken. Raedagunda war jetzt hochschwanger, das Baby sollte in wenigen Monaten kommen, und sie konnte viele der Arbeiten, die sie normalerweise verrichtete, wie Wasserholen und Wäschewaschen, nicht mehr erledigen. Ich beschloß, ein Mädchen zu kaufen, das ihr zur Hand gehen konnte – vielleicht ein etwa zwölfjähriges Mädchen, das Botengänge erledigen und nach der Geburt des Babys eine Hilfe für die Mutter sein konnte. Ich würde natürlich ein größeres Haus benötigen, sobald das Kind ein paar Monate alt war, aber ich war im Grunde genommen nur froh, das gegenwärtige loszuwerden. Ich konnte es nicht über mich bringen, das Badehaus zu betreten, und hielt es verschlossen wie eine Gruft.
Es kamen eine Menge Händler mit Schiffsladungen voller Sklaven den Fluß herunter. Ich vermutete, daß einige Goten in Mösien ihre Kinder verkauften, um etwas Geld für ihre Ansiedlung in die Hand zu bekommen. Ich finde es immer sehr traurig, wenn Eltern ein Kind verkaufen müssen, aber so etwas gibt es nun einmal und hat es immer gegeben, so wie es Krieg und Krankheiten gibt, und deshalb machte ich mir keine übermäßigen Gedanken. Eines strahlenden Morgens Anfang August machte ich mich von der hochgelegenen Festung auf den Weg zur Handelsstation bei den Hafenanlagen und sah mich dort ein wenig um. Ich entdeckte ein ziemlich großes Sklavenschiff, das am Ufer festgemacht hatte. Einen Augenblick später tauchte der Sklavenhändler auf, ein großer, blonder Mann mit einem roten Gesicht. Er lächelte auf eine Art, von der er wohl meinte, sie sei gewinnend. Doch seine Blicke glitten rasch und abschätzend über meine Gestalt und überschlugen, wieviel ich wohl wert sein mochte. Eunuchen sind äußerst wertvolle Sklaven. Doch ich gehörte immer noch der Armee an, und der Sklavenhändler würde kaum soweit gehen, mich von den Hafenanlagen Novidunums weg zu entführen. »Der vortreffliche Herr wünscht, einen Sklaven zu kaufen?« fragte er.
Ich nickte. »Ein Mädchen, wenn möglich etwa zwölf Jahre alt. Folgsam und kinderlieb.«
»Natürlich, natürlich! Davon habe ich eine Menge, obwohl ich sie eigentlich alle mit nach Histria hinunternehmen wollte. Dort verdiene ich mehr: Das wirst du dabei berücksichtigen müssen. Würde sich Euer Ehren die Mühe machen, an Bord zu kommen?«
Ich betrat das Schiff, und der Sklavenhändler führte mich unter das Schutzdach aus Stroh. Dort wimmelte es von Kindern, viel zu viele für die Größe des Schiffes. Sie waren zwischen vier und fünfzehn und saßen auf dem Boden, die älteren zu Dreiergruppen zusammengebunden, die kleinen ohne Fesseln. Es stank fürchterlich. Die Kinder hatten keine Umhänge, und viele der Knaben trugen nicht einmal eine Tunika, sondern lediglich
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